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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Akzeleration

Autor
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Katharina Weinberger

»Entwicklungsbeschleunigung«. Seit einigen Jahrzehnten setzt in allen Industriestaaten die Pubertät früher ein, und das Wachstum nimmt zu. Doch hält die charakterliche Reife mit der Geschlechtsreife nicht immer Schritt. Dadurch werden die Probleme der Pubertät und Adoleszenz in vieler Hinsicht verschärft. Man führt die Akzeleration auf die Reizüberflutung in der modernen Zivilisation zurück. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, daß sie in den Großstädten stärker zu beobachten ist als in ländlichen, zurückgebliebenen Gegenden. Hinzu kommt die moderne Mobilität: der Mensch bleibt heute viel seltener an seinen Heimatort gebunden, die Bevölkerung wird stärker durchmischt, und in der nächsten Generation wirken sich ganz unterschiedliche Erbanlagen aus. Durch die Zunahme des Wachstums, die zur Akzeleration gehört, vermehrt sich der leptosome (schlankwüchsige, empfindsame) Typ. Hier zeigt sich, daß seelische Eindrücke – wie die Reizüberflutung – ebenso den Körperbau beeinflussen können, wie sich der Körperbau auf die psychische Verfassung auswirkt.Beschleunigung eines Ent-wicklungs- oder Reifungsvorgangs. Jugendliche erreichen in allen Kulturvölkern seit der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts immer früher die Geschlechtsreife, sie werden größer und schwerer als die Elterngeneration in einem vergleichbaren Lebensalter. Vermutlich wird die Akzeleration durch Umwelteinflüsse bedingt, welche die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) dazu anregen, früher und mehr wachstumssteigernde Hormone zu bilden. Solche möglichen Einflüsse sind die veränderte Ernährung (mehr Proteine), der viel stärkere Zufluß optischer Reize in einer veränderten Umgebung, die stärkere Licht-Exposition durch den häufigeren Aufenthalt im Freien, der zunehmende Streß durch die Lebensbedingungen in der Großstadt (in der die Akzeleration nachweislich stärker ausgeprägt ist als auf dem Land). Psychologische Probleme entstehen durch die Akzeleration vor allem dann, wenn der Jugendliche äußerlich einen weit «erwachseneren» Eindruck macht, als er seelisch tragen kann. Dadurch kann es geschehen, daß ihm Verantwortung und vernünftige Haltung abverlangt werden, die ihn überfordern, wie zum Beispiel in einer Frühehe. Das Auseinanderklaffen von körperlicher und geistig-emotionaler Entwicklungsstufe bei manchen akze-lerierten Jugendlichen gibt oft auch Anlaß zu kränkendem Spott, vor allem in einer Gesellschaft, in der Fortschritt - auch Fortschritt der Entwicklung zum Erwachsenen - als wichtiger Wert gilt («Jetzt bist du schon so groß und benimmst dich so kindisch...»).

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