Strukturen, die im Hinblick auf künftige Ereignisse Bedeutungsäquivalenzen stiften, zur intraindividuellen Homogenisierung von Reaktionen beitragen und damit auch eine (relative) Stabilität individueller emotionaler Reaktionen einschließlich entsprechender interindividueller Unterschiede begründen. Die Theorie emotionaler Schemata, auch: Schema-Theorie der Emotionen, postuliert, daß Gefühlsreaktionen im Laufe der Ontogenese durch Selektion, Abstraktion, Generalisierung, Integration und Bedeutungsverleihung, gewisse Schematisierungen erfahren; aufgrund interner Verarbeitung, Selbstorganisation und Gewohnheitsbildung entstehen generative Strukturen, die eigene Erfahrungen und externe Einflüsse repräsentieren. Es entwickeln sich interindividuell unterschiedliche emotionale Reaktionsbereitschaften (readiness) im Hinblick auf bestimmte Klassen von emotionalen Reaktionen (wie z.B. Neid, Angst, Mitgefühl).
Die Co-Determinierung emotionaler Reaktionen durch Schemata geschieht wohl in Form von Bahnungen im Sinne von Prozeßerleichterung und -beschleunigung. Gemeint ist eine indirekte, unbewußte, teil-automatisierte Steuerung durch verdichtete und bedeutungshaltige Erfahrungen. Auch im emotionalen Bereich können wir unterscheiden zwischen der Struktur bzw. Form einer Emotion (z.B. Traurigkeit) und einem jeweils konkreten Inhalt als der Aktualisierung der allgemeinen Form (z.B. Traurigkeit über einen konkreten Verlust). Bildlich gesprochen sind emotionale Schemata die "Mustervorlagen" für die Vervielfältigung von Gefühlsreaktionen. Schemata sind Bezugsrahmen, die wie Schablonen an neue oder vertraute Ereignisse angelegt werden. Die emotionale Bedeutung eines Ereignisses ergibt sich meist im Schnittbereich mehrerer emotionaler Schemata.
Emotionale Schemata sind aus Substrukturen aufgebaut, die bestimmte Einflüsse und Erfahrungen in ergänzender Weise repräsentieren: "Gefühlstypen" bestimmen mit, welches Gefühl ich erlebe (Kompetenz-Aspekt); "kulturelle Gefühlsschablonen" grenzen potentielle Gefühlsauslöser in kulturspezifischer Weise ein (normativer Aspekt); "Wertbindungen" bestimmen die persönlichen Implikationen eines Ereignisses für eine Person entscheidend mit (Präferenz-Aspekt); "Gewohnheitsstärken" beeinflussen die Schwellen der emotionalen Reagibilität (Aspekt der "readiness"). Diese allgemeinen Repräsentationsformen sind dispositionale Strukturkomponenten des emotionalen Erlebens. Sie aktualisieren sich unter dem Einfluß eines auslösenden Ereignisses zu Leerstellen-Gefügen, deren konkrete Ausfüllung dann das eigentliche Gefühlserlebnis ausmacht. In der Aktualgenese repräsentieren emotionale Schemata die allgemeine Organisationsform einer Klasse von Gefühlsregungen (z.B. Mitgefühl) durch eine Struktur von Variablen und potentiell zuordnenbaren Werten.
Literatur
Ulich, D., Kienbaum, J. & Volland, C. (1999). Emotionale Schemata in der Aktual- und Ontogenese von Emotionen. In W. Friedlmeier & M. Holodynski (Hg.), Emotionale Entwicklung. Heidelberg: Spektrum Verlag.
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