auch: Gewissensbildung, Genese der individuellen Moral, des Über-Ichs; ein Begriff der Moralpsychologie, der die Entwicklung der individuellen Vorstellungen von Normen, Werten, Leitbildern, Überzeugungen und Gesetzen beschreibt (ohne Wertung, welche Inhalte besser oder schlechter sind). 1) Nach S. Freud sind vier Merkmale ausschlaggebend:
frühkindliche präverbale und sensomotorische Erfahrungen mit einer wichtigen Bezugsperson (Bindungsforschung);
frühkindliche Erfahrungen darüber, wie man gerne sein will (Idealisierungsvorgang);
die Fähigkeit zu selbst- und fremdkritischer Reflexion;
die Rolle der Affekte (Scham-, Schuld-, Neidgefühle).
2) L. Kohlberg beschreibt Wertstrukturentwicklung als Entwicklungslogik der Urteilskompetenz, als Fähigkeit des Bewertens, Verbietens, Gewährens und Verneinens mit idealtypisch einem belohnenden (Lob, Unterstützung, Schutz) und verbietenden Aspekt (Sanktion, Verbot). In vielfältiger Weise werden Erleben und Verhalten dadurch beeinflußt und spielen bei Zwangsstörungen, Depression oder Persönlichkeitsstörungen eine Rolle.
3) S. Freud beschreibt den affektiven Anteil und L. Kohlberg den kognitiven Anteil in der Wertstrukturentwicklung. Eine weitere Unterscheidung ist die nach materialen und formalen Wertstandards. Materiale Inhalte (Fähigkeit zur Ausbildung von Empathie, Anerkennung, Achtung, Respekt, Fürsorge, Vertrauen, Toleranz und Solidarität) sind konkret und an die unmittelbare face-to-face-Beziehung geknüpft. Formale Wertinhalte (die Fähigkeit zu Pflicht, Fairness, Gerechtigkeit und rationaler Konsistenz) sind meist abstrakter, universalisierbarer und bei anonymen Sozialbezügen vorrangig.
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