eine größere Gruppe von Menschen, die durch Verwandtschaft oder Ehebeziehungen miteinander verbunden sind. Anders als die Großfamilie, in der einst mehrere Generationen in unmittelbarer Gemeinschaft lebten, umfaßt die Sippe Angehörige an oft weit entfernten Wohnsitzen. Die Sippe vergrößert sich durch die Heiraten und gewinnt damit an Einfluß. Nach Margret Mead wird bei manchen Völkern Inzest und Inzucht mit dem Argument abgewehrt: »Warum soll ein Mann nicht möglichst viele Schwäger haben wollen ?« Die Inzest-Verbote, wie sie besonders kraß in der Totem-Gesellschaft galten, treiben zur Exogamie und damit zur Bildung immer größerer Gruppen. Aus der Sippe wird ein »Clan« oder »Stamm«. Die verwandtschaftlichen Beziehungen, oft die gemeinsame örtliche Herkunft, meist die Zugehörigkeit zur gleichen sozialen Schicht, die Gemeinsamkeit der Traditionen und Wertvorstellungen bringen starke Ähnlichkeiten hervor, die zwar die Solidarität fördern, aber auch Reibereien im Sinne einer ständigen Rivalität herausfordern können. Der Sippen-Kodex macht es einem Einzelnen außerordentlich schwer, »aus der Reihe zu tanzen«, zum Beispiel einen ungewöhnlichen Beruf zu ergreifen oder eine unübliche Ehewahl zu treffen, ohne die bisherigen Bindungen völlig aufzugeben. Hiervon werden noch die typischen Schwiegereltern-Konflikte mitbestimmt. Wie die Großfamilie so hat auch die Sippe durch die geschichtliche Entwicklung mehr und mehr an Bedeutung verloren. Dadurch ist die Mobilität gewachsen, die Freiheit der Wahl des Wohnortes, des Berufes, des Ehepartners. Die Grenzen zwischen den sozialen Schichten sind nun weniger starr. Diese Folgen des Bedeutungsschwundes der Sippe können zugleich als deren Ursachen verstanden werden. Die Lösung des Einzelnen aus seiner Sippe erleichtert die Eingliede rung in Sekundär-Gruppen oder in eine Masse. Sie bedeutet indessen auch einen Verlust an aus früher Erfahrung gewachsener Geborgenheit.
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