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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

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soziale Identität

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

Theorie der Sozialen Identität (SIT = Social Identity Theory), ist innerhalb der kognitiv orientierten Sozialpsychologie die bei weitem prominenteste Theorie der Intergruppenbeziehungen (Abrams & Hogg, 1990). In ihren Anfängen geht sie auf Arbeiten zur Reizklassifikation aus den sechziger Jahren zurück, firmiert aber seit Mitte der siebziger Jahre unter der Bezeichnung ”Theorie der sozialen Identität” und kann damit auf eine ca. 25jährige Wirkungsgeschichte zurückblicken (Tajfel & Turner, 1979). Die SIT besteht im wesentlichen aus vier miteinander verbundenen Konzepten über psychologische Prozesse: soziale Kategorisierung, soziale Identität, soziale Vergleiche und soziale Distinktheit.

Das zentrale Konzept dieser und vergleichbarer Theorien (s.u.) sind Kategorisierungsprozesse. Mit Hilfe sozialer Kategorisierungsprozesse versuchen wir, unsere soziale Umwelt dadurch überschaubarer und handhabbarer zu machen, daß wir die unter bestimmten Aspekten als zusammengehörig wahrgenommenen Personen unserer Umwelt zu Gruppen zusammenfassen. Soziale Kategorisierung meint jedoch nicht nur die Strukturierung unserer sozialen Umwelt, sondern immer auch die Bewertung dieser Kategorien und damit eine Verknüpfung der Strukturen mit bestimmten Valenzen.

Die soziale Identität, das Kernkonzept der SIT, wird dann relevant, wenn eine Person selbst Mitglied einer bestimmten Gruppe ist. Soziale Identität wird in der Literatur weitestgehend übereinstimmend als der Teil des Selbstkonzeptes einer Person definiert, den die Person aus ihrer Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe gewinnt. Da Personen nach einem positiven Selbstbild und damit nach einer positiven sozialen Identität streben, versuchen Personen die ingroup auf verschiedene Weise positiv von der outgroup abzuheben, also verschiedene Formen positiver Distinktheit zu schaffen. Daß allein die Zugehörigkeit zu einer sozialen Kategorie ausreicht, um die eigene Gruppe zu favorisieren und andere Gruppen zu diskriminieren, ist in überzeugender Weise mit einem der im Kontext der SIT häufig verwendeten Verfahren, dem sog. Minimalen Gruppenparadigma demonstriert worden.

Die im Rahmen dieses theoretischen Ansatzes durchgeführten zahlreichen Untersuchungen belegen, daß es a) zu einer positiveren Bewertung der ingroup verglichen mit der outgroup kommt, b) daß immer dann, wenn der direkte Vergleich mit einer anderen Gruppe sehr ungünstig ausfällt und es zu einer sog. ”negativen sozialen Identität” kommt, die Mitglieder der ingroup nach neuen Vergleichsgruppen oder Vergleichsdimensionen Ausschau halten, damit künftige soziale Vergleiche positiver ausfallen und damit die soziale Identität nicht gefährdet wird. Andere Strategien zur Wahrung einer positiven sozialen Identität, vor allem unter Bedingungen der subjektiv wahrgenommenen Benachteiligung (relative Deprivation), führen zum Verlassen der ingroup und der Suche nach einer attraktiveren Gruppe oder aber zur Auseinandersetzung mit relevanten Vergleichsgruppen (zum direkten Angriff), um den Status der ingroup zu verbessern.

Kritisiert wird an der SIT u.a., daß die Richtung der angenommenen kausalen Beziehung zwischen Intergruppendiskriminierung und Selbstwert unklar bleibt. Experimentelle Belege lassen sich für beide Kausalrichtungen anführen: Zum einen konnte bestätigt werden, daß für den Fall, daß unter minimalen Gruppenbedingungen Diskriminierung zwischen den Gruppen verhindert wurde, ein niedriges Selbstwertgefühl der Gruppenmitglieder resultierte. Zum anderen konnte ebenfalls der umgekehrte Einfluß von Selbstwert auf Intergruppendiskriminierung belegt werden, da Personen, die bei der Bearbeitung von Aufgaben schlechte Ergebnisse erzielten und somit ein geringes Selbstwertgefühl besaßen, in Folge dessen stärkere Intergruppendiskriminierung zeigten (Brewer & Brown, 1998).

Eine Weiterentwicklung und Generalisierung der SIT stellt das von Turner et al. (1987) entwicklete Modell der Selbst-Kategorisierung dar (SCT = Self Categorization Theory). Die SCT legt besonderen Wert auf die kognitive Leistung der sozialen Kategorisierung für sämtliche Prozesse innerhalb und zwischen Gruppen und postuliert, daß in einem gegebenen sozialen Kontext diejenige Kategorie ausgewählt und verwendet wird, die am besten zu der jeweiligen Situation paßt. Zwar können Personen sich und andere auf allen möglichen Abstraktionsebenen kategorisieren, aber die drei für die SCT wichtigsten Ebenen der Identitätsdefinition sind a) die Klassifikation der eigenen Person als menschliches Wesen, b) als Mitglied einer bestimmten Gruppe und c) als Individuum. Prozesse der Gruppenbildung, wie sie durch eine Kategorisierung unter b) entstehen, führen u.a. dazu, daß Teile der personalen Identität c) aufgegeben werden und es zu einer Depersonalisierung kommt. Dieser Depersonalisierungsprozeß ist die Grundlage für eine Vielzahl von Gruppenphänomenen, wie z.B. Konformität, Gruppenkohäsion, Ethnozentrismus und Kooperation, da sich in all diesen Fällen der einzelne am prototypischen Gruppenmitglied seiner ingroup orientiert und sich gruppenkonform verhält.

Literatur

Abrams, D. & Hogg, M.A. (Eds.) (1990). Social identity theory: Constructive and critical advances. New York: Springer.

Brewer, M. & Brown, R. (1998). Intergroup relation. In D.T. Gilbert, S.T. Fiske & G.Lindzey (Eds.), The Handbook of social psychology.(Vol. II, pp. 554-594). Boston, MA: McGraw-Hill.

Tajfel, H. & Turner, J.C. (1979). An integrative theory of intergroup conflict. In W.G. Austin & S. Worchel (Eds.), The social psychology of intergroup relations (pp. 33-47). Monterey, CA: Brooks/Cole.

Turner, J.C., Hogg, M.A., Oakes, P.J., Reicher, S. & Wetherell, M.S. (1987). Rediscovering the social group: A self-categorization theory. Oxford: Basil Blackwell.


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