die Wissenschaft von den Gemeinschaftsbindungen des Menschen. Sie geht zum Teil von den äußeren, ökonomischen Lebensbedingungen aus, deren Einfluß auf die Form der Gesellschaftsordnung sich aus den Wandlungen im Lauf der Geschichteablesen läßt. Eine Kultur von Nomaden muß eine andere Art der Gruppenbildung zur Folge haben als eine Kultur von Bauern oder von Bürgern. Der Siegeszug von Wissenschaft und Technik hatte die Säkularisierung, d. h. die teilweise Ablösung von Glauben und Religion zur Folge. Das Dorf verstärkt die Enge der Beziehungen, die Stadt vermehrt ihre Zahl. In jeder Gesellschaft gibt es mehrere Schichten, deren Angehörige unterschiedliche Erfahrungen machen und auch andere Entwicklungsmöglichkeiten haben. Der Einfluß der sozialen Verhältnisse auf die Prägung des Einzelmenschen ist so groß, daß die Soziologie schon insofern unmittelbar in Sozialpsychologie übergeht. Die Soziologie untersucht aber auch, wie sich Gruppen bilden und was sich in ihnen abspielt. Sie stehen stetsin einem Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis ihrer Mitglieder nach Freiheit zur Selbstverwirklichung und dem nach Schutz und Geborgenheit. Auch die Masse als ungegliederte Gemeinschaftsbildung wird von Gefühlsbedürfnissen und Gefühlsabläufen mitbestimmt. Soziologie läßt sich nicht begreifen ohne den Bezug auf die Regungen des Einzelnen, die ihn in eine Gerneinschaft treiben; ohne die Folgen, die seine Auseinandersetzung mit anderen für ihn hat; und auch nicht ohne die Strebungen, die ihn zum Rückzug aus der Gruppe bewegen. Ebensowenig aber läßt sich Psychologie begreifen ohne den Blick auf die Prägungen, die ein jeder durch die Gemeinschaften erfahren hat, in denen er von Kindheit an lebte. Während der Behaviorismus beinahe nur das Verhalten in der jeweiligen Gruppe bedenkt, bezieht sich die Psychoanalyse (wie überhaupt jede Tiefenpsychologie) ganz wesentlich auf die sozialen Erfahrungen in früher Kindheit und darüber hinaus auf die Entwicklung der Menschenart im Lauf ihrer Geschichte. Die Kultur konnte ja nur dank der Bildung immer größerer Gemeinschaften entstehen.
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