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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Unbewußtes

Autor
Autor:
Julia Schneider-Ermer

Gesamtheit der seelischen Vorgänge, welche außerhalb der bewußten Aufmerksamkeit ablaufen. Man unterscheidet dabei das Vorbewußte vom Unbewußten. Auch die Inhalte des Vorbewußten sind uns augenblicklich nicht bewußt, da unser Bewußtsein nur einen sehr kleinen Ausschnitt unseres Erlebens erfassen kann. Doch sind die Inhalte des Vorbewußten bewußtseinsfähig; sie können bei gegebenem Anlaß ohne Schwierigkeiten erinnert werden, zum Beispiel seit Jahren nicht mehr verwendete englische Wörter bei einem Aufenthalt in England. Wenn Inhalte, die ein Mensch als vorbewußt einordnet, auf einmal unbewußt sind, ein bestimmter Eigenname etwa, den man «eigentlich» wissen müßte, immer wieder vergessen wird, läßt sich der Unterschied zwischen dem Vorbewußten und dem Unbewußten klarer sehen. In diesem Fall kann nämlich eine gefühls-hafte unbewußte Abneigung vorliegen, welche an ihrer Wirkung auf die Erinnerung erkennbar ist. S. Freud hat die unbewußte Bedeutung dieser Fehlleistungen (Vergessen, Versprechen, Vergreifen) zuerst ausführlich beschrieben. Bezeichnend für die Aufnahme unbewußter Inhalte in das Bewußtsein ist oft, daß der Betreffende etwa sagt: «Daran habe ich nie gedacht.» Sehr häufig wird das Unbewußte nicht in einem dramatischen Augenblick erkannt, sondern in einem allmählichen Lernvorgang, in dem bisher nicht beachtete Inhalte zum erstenmal in das volle Licht der Aufmerksamkeit gerückt werden. Sie sind dem Betroffenen eigentlich nicht völlig neu, manchmal fällt ihm auch später ein, daß er das eigentlich schon immer wußte, aber nicht daran zu denken pflegte. Zum Unbewußten haben wir in uns selbst einen ähnlichen Zugang wie zu den seelischen Vorgängen in einer anderen Person: Es läßt sich nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern nur erschließen, rekonstruieren, endlich in einer zusammenfassenden Anstrengung «verstehen» (Einsicht). In der ~» Psychoanalyse erschließt es der Therapeut, ähnlich wie ein Lotse Hindernisse unter der Wasseroberfläche an bestimmten Veränderungen der sichtbaren Strömung (Wirbel, Schaumkronen) erkennt, aus dem Fließen, der Richtung und dem Stocken der freien Einfälle des Patienten. Neben dem persönlichen Unbewußten wird manchmal von einem kollektiven Unbewußten gesprochen. Es ist allerdings nicht ganz klar, wieweit hier die wohl richtige Annahme, daß im Unbewußten wie im Bewußtsein bestimmte stammesgeschichtlich erworbene und daher vorgegebene Gestalt- oder Struktureigenschaften wirken, in faßbare ArchetvDen (Urbilder) umgesetzt werden kann. Glaubhafter scheint die Annahme, daß diese unbewußten * Gestalten ein Ausdruck der Kulturbedürftigkeit des Menschen sind. Sie ordnen die lebensgeschichtlich erworbenen, inneren Bilder (Vorstellung), doch geschieht das in einer ständigen Wechselbeziehung mit den geistigen Werten und den sprachlichen Vorstellungen der jeweils vermittelten Kultur.

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