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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Begriffsbildung

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

Begriffsbildung, ein aktiver kognitiver Strukturierungsprozeß. Kognitive Strukturen sind kein "Abbild" der Umwelt, sondern mentale Konstruktionen. Hierbei beobachtet man meist ein Umlernen bereits bestehender Strukturen und seltener ein Neulernen. Bei Begriffen (engl. concept) unterscheidet man zwei Hauptklassen: Eigenschafts- und Erklärungsbegriffe (Abb. 1).

Eigenschaftsbegriffe entstehen durch einen Prozeß der Kategorisierung. Kategorie ist demnach nur eine andere Bezeichnung für diese Art von Begriffen.

Bei den Eigenschaftsbegriffen gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche theoretische Ansätze: die sog. klassische Theorie und die Prototypentheorie.

1) Im Rahmen der klassische Theorie nennt man die Merkmale oder Eigenschaften, die die Klassenzugehörigkeit ausmachen, kritische Attribute. Die Bezeichnung "kritisch" meint, daß nur diese Merkmale bedeutsam sind. So ist bei der Kategorie "Sitzmöbel" das kritische Attribut die einigermaßen waagerechte Sitzfläche, nicht aber die Merkmale Rückenlehne, Polsterung, vier Beine usw. Die Gesamtheit der kritischen Attribute macht den Inhalt des Eigenschaftsbegriffs aus, und die Gesamtheit der Gegenstände, die er bezeichnet, nennt man seinen Umfang. Die Art der Kombination der kritischen Attribute wird als logische Struktur des (Eigenschafts-) Begriffs bezeichnet. Die wichtigsten Grundformen logischer Strukturen (Klassifikations- oder Kombinationsregeln) sind (Abb. 2):

Affirmation: Nur ein kritisches Attribut ist vorhanden.

Konjunktion: Zwei oder mehr Attribute sind vorhanden.

Disjunktion: Entweder das eine Attribut oder das andere.

Relation: Ein Attribut seht in einer gewissen Beziehung zu einem anderen.

Nach der klassischen Theorie ist (bei den Eigenschaftsbegriffen) die Erfassung der logischen Struktur (die Kombination der kritischen Attribute) der wesentliche Punkt der Begriffsbildung. Eine Sache hat man dann begriffen, wenn man die Struktur der gemeinsamen Merkmale der Objekte einer Kategorie erkannt hat.

Da der Begriffsname als sprachliches Symbol nicht eindeutig einem bestimmten Inhalt zugeordnet ist, werden häufig Definitionen nötig.

Beispiel: Frieden als relationaler Begriff - Abwesenheit von Krieg. Frieden als konjunktiver Begriff - Abwesenheit von Krieg und Ausgleich sozialer Konflikte.

2) Die Prototypentheorie läßt sich vereinfachend unter fünf Gesichtspunkten beschreiben:

- Begriffe sind häufig gekennzeichnet durch Unschärfe (Vagheit) und können nur unter Einbeziehung des Kontextes sinnvoll gebraucht werden (z.B. Bedeutung der Kategorien Tasse und Becher).

- Begriffsbildung im Alltag erfolgt weniger nach formal-logischen, sondern eher nach pragmatischen Gesichtspunkten. Die Zweckgebundenheit rückt in den Vordergrund (z. B. wird ein kleines Gefäß auf dem Teetisch zur Tasse und mit Blumen gefüllt zur Vase).

- Ein Begriff ist durch wenige charakteristische Merkmale ausgezeichnet. Nicht alle Mitglieder der Kategorie müssen diese typischen Attribute aufweisen (z. B. Flugfähigkeit der Vögel).

- Das Wissen über die Kategorie ist in einem Prototyp ("idealer Vertreter") abgespeichert (z.B. physische Aggression = Schlägerei).

- Kategorisierung bedeutet Feststellung der Ähnlichkeit des neuen Objektes mit dem Kategorie-Prototyp (z.B. Raubtiere sind solche Lebewesen, die dem Löwen oder Tiger ähnlich sind).

Erklärungsbegriffe beinhalten, wie der Name sagt, eine Erklärung. Erklärungen sind Annahmen, die sich auf eine Theorie im weiteren Sinn beziehen. Das Beispiel Mondfinsternis zeigt die Unterschiede zwischen Eigenschafts- und Erklärungsbegriff auf: Eigenschaftsbegriff - partiell oder total. Erklärungsbegriff - Mond im Erdschatten.

Begriffe weisen zwei Komponenten auf:

Sachliche (denotative) Bedeutung: logische Struktur oder Prototyp (bei den Eigenschaftsbegriffen) bzw. Theorie (bei den Erklärungsbegriffen)

Emotionale (konnotative) Bedeutung: gefühlsmäßige Beziehung einer Person zu dieser Sache.

Begriffe stehen nicht isoliert. Sie sind in der Regel in komplexen Netzwerken organisiert. Prototyp hierfür ist das "Netzwerk lernpsychologischer Grundbegriffe" (Lernen)

Literatur

Eckes, T. (1991). Psychologie der Begriffe. Göttingen: Hogrefe.


Begriffsentwicklung1Begriffsentwicklung Begriffsbildung.

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