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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Frankl

Autor
Autor:
Julia Schneider-Ermer

Viktor E., 1905-1997, Begründer der Existenzanalyse oder Logotherapie (griech. logos: Wort, Sinn), gilt als Vater der "Dritten Wiener Schule der Psychotherapie" neben der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der Individualpsychologie Alfred Adlers. Schon als Schüler beschäftigte er sich mit den Naturphilosophen, besuchte VHS-Kurse über Angewandte Psychologie und kam mit der Psychoanalyse in Kontakt. Er korrespondierte intensiv mit Sigmund Freud, dem er 1924 persönlich begegnet. 1924 erscheint sein Aufsatz "Zur mimischen Bejahung und Verneinung" in der Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse, 1925 wird seine zweite wissenschaftliche Arbeit "Psychotherapie und Weltanschauung" in der "Internationalen Zeitschrift für Individualpsychologie" Alfred Adlers publiziert, in dessen Einflußbereich er zunehmend gerät. Er bemüht sich darin um die Aufhellung des Grenzgebietes zwischen Psychotherapie und Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Sinn- und Wertproblematik, was zum lebenslangen Leitmotiv seiner Arbeit wird. 1927 kommt es zur Entfremdung zwischen Frankl und Adler, er gerät unter den Einfluß von Rudolf Allers und Oswald Schwarz (Begründer der psychosomatischen Medizin). Bald darauf erfolgt der Ausschluß des Medizinstudenten aus dem Verein für Individualpsychologie. Er gründet daraufhin den "Akademischen Verein für medizinische Psychologie" und wendet sich der Organisation von Jugendberatungsstellen zu (mit Unterstützung Charlotte Bühlers), an die sich Jugendliche in seelischen Nöten kostenlos wenden können. 1930 lädt ihn Wilhelm Reich nach Berlin ein, die Universitäten von Prag und Budapest wünschen Vorträge von ihm. Noch vor seiner Promotion beginnt er in der Psychotherapeutischen Abteilung der Psychiatrischen Universitätsklinik zu arbeiten und wird nach der Promotion dort Assistent. 1937 eröffnet er als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie eine Privatpraxis, 1938 übernimmt er die Leitung der Neurologischen Station am Rothschild-Spital, wo nur jüdische Patienten betreut werden. Dort sabotiert er unter Lebensgefahr die von den Nazis angeordnete Euthanasie von "Geisteskranken" mittels falscher Diagnosen in seinen ärztlichen Gutachten. Er publiziert mehrere Aufsätze in Schweizerischen Wochenschriften, beginnt die erste Fassung seiner "Ärztlichen Seelsorge" niederzuschreiben. In seinem Aufsatz: "Philosophie und Psychotherapie. Zur Grundlegung einer Existenzanalyse" (1939) prägt er den Ausdruck Existenzanalyse. Ein Visum zur Ausreise nach Amerika läßt Frankl unbenützt, um seine alten Eltern nicht im Stich zu lassen. 1942 wird er verhaftet und mit seiner ganzen Familie ins Lager von Theresienstadt (Böhmen) deportiert, wo sein Vater verhungert. Seine schwangere Frau wird weitertransportiert nach Bergen-Belsen und kommt dort um. 1943-1944 wird Frankl nach Auschwitz gebracht, wo seine Mutter vergast wird und sein Bruder stirbt. Unter den extremen Bedingungen der Gefangenschaft erprobt er seine eigenen Thesen über Schicksal und Freiheit. Nach dem Krieg diktiert er in 9 Tagen das Buch "Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager", von dem bis heute in der englischen Fassung mehr als 9 Millionen Exemplare verkauft worden sind (in Deutschland wurde es nahezu ignoriert). Er wird Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Wiener Universität und Vorstand der Wiener neurologischen Poliklinik und gründet 1950 die "Österreichische Gesellschaft für Psychotherapie. 1970 wird an der United States International University San Diego/Kalifornien das erste Logotherapie-Institut der Welt gegründet und Frankl erhält einen Ruf auf den Lehrstuhl für Logotherapie.

Ausgangspunkt von Frankls Tiefenpsychologie ist die Erkenntnis, dass im Menschen ein Bedürfnis nach Sinn angelegt ist. Dem Patienten sollen keine Erklärungen geliefert werden, warum er leidet, sondern er soll dahin geführt werden, daß er sich als Herr seines Schicksals sieht. Die beiden wesentlichen therapeutischen Techniken der Logotherapie (die letztlich auf Alfred Adler zurückgehen) sind die paradoxe Intention und die Dereflexion, während auf die klassische tiefenpsychologische Arbeit (Erhellung der Lebenssituation, Durcharbeiten der Probleme, Interpretation) weitgehend verzichtet wird.


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