Bezeichnung einer psychotherapeutischen Richtung, die von V. Frankl zwischen 1926 und 1933 begründet (Logotherapie) und in der Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (Wien) vor allem durch A. Längle als psychotherapeutisches Verfahren ausgebaut wurde. Existenzanalyse kann definiert werden als eine phänomenologische, an der Person ansetzende Psychotherapie mit dem Ziel, zu einem (geistig und emotional) freien Erleben, zu authentischen Stellungnahmen und eigenverantwortlichem Umgang mit sich selbst und der Welt zu verhelfen. In einfachen Worten: Die existenzanalytische Psychotherapie soll dem Menschen helfen, mit innerer Zustimmung zum eigenen Handeln und Dasein leben zu können.
Die Existenzanalyse entstand als Korrektiv zum Psychologismus in der Folge der Kritik von E. Husserl, die auch von K. Jaspers, L. Binswanger, M. Boss und R. May vertreten wurde. In Abgrenzung zur Tiefenpsychologie stellte Frankl neben die (auf die Binnendynamik psychisch-triebhafter Kräfte gerichtete) "Psycho"-Analyse eine auf die Welt der Werte gerichtete "Existenz"-Analyse. Er präzisierte ihr therapeutisches Ziel im Begriff "Logo"-Therapie ("logos" = Sinn).
Seit der "personalen Wende" (1988-1990) geht es in der Existenzanalyse neben der Reflexion der Sinnfindung vermehrt um die Aktivierung der psychischen und personalen Prozesse (Wahrnehmung, Verarbeitung, Haltung, Auseinandersetzung mit der Leiblichkeit), der Beziehung (Selbstbezug, Emotionalität, Begegnung, Dialog, Person), der Motivation (Grundmotivationen), der Biographie, Entwicklungspsychologie und Psychopathologie.
Der theoretische Hintergrund der Existenzanalyse ist die Existenzphilosophie und Phänomenologie. Frankl war vor allem von der philosophischen Anthropologie und der Wertelehre Max Schelers beeinflußt. Die praktische Arbeit setzt heute am subjektiven Erleben an, um dann die innere Freiheit zu mobilisieren (in Form von persönlichen Stellungnahmen, Entscheidungen, Einstellungen, Finden des eigenen Willens). Über ein Ernstnehmen und Akzeptieren der Subjektivität (Person) im Mittel der Begegnung und durch ein Aufgreifen der fühlbar gewordenen Gewissenhaftigkeit (Verantwortlichkeit und Engagement) soll die Selbstwerdung realisiert werden. Dazu bedarf es des akthaften, handelnden Vollzugs, dessen persönliche Sinnhaftigkeit trotz möglichem Scheitern und Tod bestehen bleibt. Indiziert ist die Existenzanalyse bei allen Formen psychisch, psychosozial oder psychosomatisch bedingter Verhaltensstörungen und Leidenszustände.
Die Existenzanalyse arbeitet in erster Linie mit dem Gespräch (zumeist einmal pro Woche), wobei eine methodische Offenheit für adjuvante Mittel besteht (Traumarbeit, Imagination, Körperarbeit, kreative Mittel u.a.). Die Therapie wird dialogisch-begegnend geführt und wechselt im Stil entsprechend den Phasen der Personalen Existenzanalyse von kognitiv und empathisch zu konfrontativ-konstruktiv und schützend-ermutigend. Ziel und zentrales Wirkelement der Existenzanalyse ist die Herstellung einer inneren und äußeren dialogischen Offenheit, in der die Person ihre Grundfähigkeiten (gemäß der Personalen Existenzanalyse) zum Einsatz bringen und die Grundbedingungen personaler Existenz (Grundmotivationen) erarbeiten kann. Die bekannteste Technik der Existenzanalyse ist Frankls paradoxe Intention. Während Frankl den Sokratischen Dialog als Hauptmethode einsetzte, sind es heute die Personale Existenzanalyse, die Arbeit mit den Grundmotivationen, die biographische Methode, Personale Positionsfindung und zahlreiche diagnosespezifische Interventionsformen. Zur Evaluation existenzanalytischer Arbeit steht die Existenz-Skala zur Verfügung.
Die Existenzanalyse hat eine Nähe zur humanistischen Psychologie. Doch steht deren Haupttheorem (Selbstaktualisierung) in der Existenzanalyse nicht im Vordergrund, so daß sie im Grunde einer eigenen Kategorie "existentieller Psychotherapierichtungen" zuzuordnen wäre, die dem therapeutischen Grundprinzip der Wiederherstellung der dialogisch-partnerschaftlichen Austauschfähigkeit mit der Welt folgen und darin ihr Hauptwirkelement sehen.
Literatur
Frankl, V. E. (1990). Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie. München: Piper.
Frankl, V. E. (1994). Logotherapie und Existenzanalyse. Texte aus sechs Jahrzehnten. Berlin: Quintessenz.
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