A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Gaukler

Autor
Autor:
Werner Eberlein

zum Unterschied von den Künstlern die Leute, die »Kunststücke« machen. Sie stammen kulturgeschichtlich von den Zauberern ab. Noch der moderne Trick-Zauberer genießt etwas von der mit einem Gefühl des Unheimlichen vermischten Bewunderung, die einst dem Magier oder Medizinmann gegolten hat. Aber auch andere Fertigkeiten, wie man sie heute im Variete oder Zirkus bestaunt, gehen auf eine uralte Tradition zurück. So hat sich aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. eine griechi sche Terrakotta erhalten, die einen Jongleur genau in der Haltung zeigt, mit der noch Rastelli auftrat. Manche Artisten spielen mit der Lebensgefahr; dann nähern sie sich der Funktion von Gladiatoren. Alle erbringen eine Leistung, die keinen anderen Sinn zu haben scheint, als die Zuschauer für wenige Minuten zu unterhalten. Die meisten bemühen sich, diese Leistung so vorzuführen, daß man ihr die Mühe nicht ansieht, die sie und ihre Einübung gekostet hat. Die scheinbare Leichtigkeit und Anmut ist oft wichtiger als die Leistung selbst. Geht die Heiterkeit in gezielte Komik über, wird der Gaukler zum Spaßmacher. Mit solchen Darbietungen wird offenkundig ein Bedürfnis erfüllt, denn sonst hätte es nicht zu allen Zeiten und in allen Kulturen »Gaukler« gegeben. Man genießt Leistungen, die man nicht ganz begreifen kann, und man erfreut sich an ihnen, eben weil sie von der Welt der Zwecke und ihrer Beengung wegführen. Entsprechende Motive müssen es sein, die einen Gaukler zum Gaukler machen. Seine Berufswahl zwingt ihn zu einem unsteten Leben; er wird zum Nomaden. Doch mag auch dieser Umstand ihn gereizt haben. Indessen ist die Vorstellung von der Ungebundenheit der Artisten ganz falsch. Sie sind in einer Art Subkultur besonderen, zum Teil recht strengen Wertvorstellungen verpflichtet. Viele von ihnen stammen aus Familien, die schon seit Generationen zum »fahrenden Volk« gehören. Unter den Charaktereigenschaften, die für diesen Beruf typisch sind, fällt eine starke Neigung zum Aberglauben auf, die seinen Unsicherheiten und Gefahren entspricht. Bezeichnend für die Berufsauffassung ist vielleicht die Legende von dem Jongleur, der für eine Gebetserhörung der Madonna nicht schöner zu danken wußte, als vor ihrem Bilde – zu jonglieren.

Vorhergehender Fachbegriff im Lexikon:

Nächster Fachbegriff im Lexikon:

Psychology48.com

Das freie Lexikon der Psychologie. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Psychologie, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.

Psychologielexikon
Psychologie studieren

Modernes Studium der Psychologie sollte allen zugängig gemacht werden.