Aberglaube ist ein Glaube, der im jeweiligen Kulturkreis nicht (oder nicht mehr) allgemein anerkannt wird. Oft handelt es sich um Reste von Naturreligionen, die von einer inzwischen herrschenden Hochreligion (wie Christentum oder Islam) nicht unterdrückt werden konnten. Besonders auffallend sind Elemente des Animismus (Geisterglaube, vgl. auch Dämonen) und der Magie. Zwar haben die Hochreligionen im Laufe ihrer Entwicklung solche Elemente aufgenommen, sie zum Teil aber später wieder offiziell abgestoßen und sie nur noch in gewissen Formen des Volksglaubens geduldet. In einer atheistischen Gesellschaftsordnung beruft man sich einzig auf wissenschaftliche Erkenntnisse und betrachtet die Glaubensvorstellung jeder Religion als Aberglauben. Der Aberglaube scheint einen Schutz gegen die Gefahren der Natur und der mitmenschlichen Umwelt zu bieten. Mit seiner Hilfe werden Ängste bewältigt und die Hoffnung auf wehr-Handlungen wie ;auf Holz klopfen« und Vermeidungs-Gebote wie »nicht bereden« und die Scheu vor bestimmten Tagen (Freitag) oder Zahlen (13). Meist handelt es sich hierbei um psychologisch oder sonst in der Erfahrung begründete Zusammenhänge, deren Sinn aber längst vergessen ist. So kann man sich tatsächlich durch das »Bereden« in eine unbegründete Erwartung steigern, die als Angst unsicher macht, als Hoffnung die Enttäuschung zur Folge hat. Daß man z. B. nicht drei Zigaretten am selben Streichholz anzünden soll, stammt aus der Erfahrung in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges, in denen der lange Feuerschein dem Feinde ein Ziel bot; aber wenn man an dieser Vermeidung auch in ganz anderen Situationen wie an einem Tabu festhält, wird sie zum Ausdruck eines Aberglaubens. Ähnlich wie der Glaube von Sekten bietet der Aberglaube gegenüber dem kirchlichen Glauben den psychologischen Vorteil, daß man gleichsam an einer geheimen Gemeinschaft teil hat, die ihre besonderen Vorstellungen ernster nimmt und mit mehr Feierlichkeit beschwört. Der Aberglaube vermittelt ein Geborgenheits-Gefühl, bei dem die Beziehung zur Realität keine Rolle spielt. Ablösung, die gefühlsmäßige Überwindung einer Gebundenheit, die ist gewöhnlich die eines erwachsen gewordenen Kindes von seinen Eltern. Die Aufnahme in neue, größere Gemeinschaften, etwa die Schule oder in Männerbünde und oft auch besondere Einweihungsriten sollen diese Entwicklung unterstützen. Aber noch lange, nachdem ein selbständiges Leben begonnen hat, wirken die alten Einflüsse nach. Die Lehren und Vorbilder der Eltern sind verinnerlicht worden. Sie haben entscheidend zum Aufbau des Gewissens beigetragen, das als Über-Ich eine Kontrolle ausübt, deren man sich weitgehend unbewußt ist. Ein anderes Beispiel für die Schwierigkeiten der Ablösung findet sich bei vielen Menschen, die sich mit dem Verstand längst von der Religion losgesagt haben und doch von deren Glaubenssätzen, Zeremonien und Traditionen immer wieder gefühlsmäßig stark angesprochen werden. Eine Ablösung muß auch am Ende einer Psychotherapie stehen. Im Verlaufe einer solchen Kur entsteht unvermeidlich eine starke Bindung des Patienten an seinen Arzt; oft wird diese Übertragung sogar absichtlich gefördert, weil ihre Kraft wesentlich zur Heilung beitragen kann. Aber nur wenn diese Übertragung abgebaut wird, kann der bisherige Patient sein Leben selbständig meistern.
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