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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

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Sicherheitsmanagement

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

die durch die Führung veranlaßte Institutionalisierung der sicherheitsgerichteten Aktivitäten in einer Organisation, methodisch vergleichbar mit dem Qualitätsmanagement, jedoch mit dem Ziel, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Industrieanlage zu gewährleisten und zu optimieren, indem Faktoren mit potentiellem Einfluß auf die Sicherheitsleistung identifiziert und kontrolliert werden (Arbeits- und Gesundheitsschutz). Rasmussen (1991) unterscheidet drei verschiedene Kontrollstrategien für die Gewährleistung der Sicherheit, deren Angemessenheit vom Gefährdungspotential und von der Geschwindigkeit der Technologieentwicklung abhängen:

1) Für Industrien mit geringem und verteiltem Gefährdungspotential ist die Überwachung anhand von empirischen Daten wie Unfall- oder Verletzungshäufigkeiten angemessen. Methoden für diese Strategie sind Unfallanalysen, Fallstudien und epidemiologische Studien, die auf konsequentem Erfahrungsrückfluß beruhen. Fahlbruch und Wilpert (1999) ordnen diese Strategie dem traditionellen Feld der Arbeitssicherheit zu.

2) Für Industrien mit hohem Gefährdungspotential und schneller Technologieentwicklung wird die analytische Kontrolle durch vorausschauendes Design und Planung vorgeschlagen, bei der denkbare Gefährdungsmechanismen und Unfallentstehungsprozesse in einer eher technikorientierten Sicherheitsbetrachtungsweise im Mittelpunkt stehen. Geeignete Methoden sind zukunftsorientiert wie beispielsweise probabilistische Sicherheitsanalysen (PSA) oder Berechnungen der menschlichen Zuverlässigkeit (Human Reliability Analysis – HRA).

3) Für Industrien mit einer Konzentration hohen Gefährdungspotentials und verhältnismäßig langsamen technischen Veränderungen (z. B. zivile Luftfahrt, Kerntechnik) ist eine Kombination der oben genannten Strategien angemessen. Hier soll die Sicherheit durch eine konsequente Verbindung der zukunftsorientierten Verfahren und der Folgerungen aus gewonnenen Betriebserfahrungen gewährleistet und erhöht werden. Im Hinblick auf die Bedeutung Organisationalen Lernens für das Konzept der Systemsicherheit halten Fahlbruch und Wilpert (1999) diese für die angemessenste Strategie.

Eine Unterteilung von Sicherheitsmanagementansätzen nach ihrem Schwerpunkt bei Unfallanalysen, Maßnahmen und sicherheitsgerichteten Interventionen nimmt Reason (1997) vor und unterscheidet drei Sicherheitsmanagementmodelle: 1) Das Personenmodell wird am besten durch den traditionellen Arbeitssicherheitsansatz charakterisiert. Im Zentrum der Betrachtung stehen vor allem Fehler, unsichere Handlungen und Regelverletzungen. Unfälle werden hier vor allem auf psychologische Faktoren wie mangelnde Aufmerksamkeit, unzureichende Motivation oder fehlende Fähigkeiten zurückgeführt unter der Annahme, daß die Beschäftigten sich bewußt und frei zwischen sicherem und unsicherem Verhalten entscheiden können. Dementsprechend zielen Maßnahmen vor allem auf Auswahl, Training und Schulungen von Mitarbeitern (Personalauswahl, Personalentwicklung). Organisationales Sicherheitsmanagement nach diesem Modell greift jedoch zu kurz, da die Unfallanalysen und Sicherheitsmaßnahmen sich hauptsächlich auf die Beschäftigten beziehen. 2) Das lngenieurmodell entspricht der Tradition von Ingenieurwissenschaft, Arbeitswissenschaft und Risikomanagement (risk control, loss control) (Risiko). Schwachstellen werden im Rahmen dieses Modells im Design der Technologie oder der Mensch-Maschine-Schnittstelle erklärt (Mensch-Maschine-Interaktion). Sicherheit kann daher in das System "eingebaut" werden. Bei diesem Modell werden vor allem die Technik und das Operateurverhalten fokussiert, und Maßnahmen zielen dementsprechend auf eine technische Verbesserung der Anlage und der Mensch-Maschine-Schnittstelle. 3) Das Organisationsmodell kann als Ausweitung des Ingenieurmodells angesehen werden und steht im Bezug zu Ansätzen von Krisen- und Notfallmanagement. Ausgehend von der Annahme, daß latente Faktoren in der Organisation zu der Entstehung von Unfällen beitragen, in dem sie beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Operateursfehlern erhöhen, erfordert Sicherheit hier die kontinuierliche Kontrolle und Anpassung elementarer Systemfunktionen und -prozesse. Maßnahmen sind dementsprechend umfassend konzipiert und beziehen alle Ebenen der Organisation mit ein. Dieser organisationale Ansatz des Sicherheitsmanagements erscheint notwendig (Zimolong & Elke, 1996), um eine kontinuierliche Verbesserung der Sicherheit zu gewährleisten, da ein ausschließlicher Fokus auf Personen oder die Mensch-Maschine-Schnittstelle wichtige Einflußfaktoren auf die Sicherheit außer acht läßt.

Nur im Bereich der Kerntechnik existieren explizite Modelle des Sicherheitsmanagements (Hale et al., 1997), bei denen Schlüsselfunktionen oder Ebenen der Sicherheitsorganisation modelliert werden. Neuerdings läßt sich in Wissenschaft und Praxis ein Trend zu Managementsystemen, die Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz integrieren, erkennen.

Literatur

Fahlbruch, B., & Wilpert, B. (1999). System safety – an emerging field for 1/0 psychologie. In C. L. Cooper, & I. T. Robertson (Hrsg.), lnternational Review of Industrial and Organizational Psychology (Bd. 14, S. 55-93). Chichester: Wiley.

Hale, A., Heming, B. H. J., Carthey, J. & Kirwan, B. (1997). Modelling of Safety Management Systems. Safety Science, 26 (112), 121-140.

Rasmussen, J. (1991). Safety control: Some basic distinctions and research issues in high hazard low risk operation. Paper presented at the Network workshop on Risk Management, Bad Homburg, May 1991.

Reason, J. (1997). Managing the risks of organizational accidents. Aldershot: Ashgate.

Zimolong, B. & Elke, G. (1996). Sicherheit als Systemziel (Bochumer Berichte zur Angewandten Psychologie, Vol. 13/96). Bochum: Ruhr Universität Bochum.


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