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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Weiblichkeit

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

die Summe dessen, was die Frau auszeichnet und sie vom Mann unterscheidet. Dazu gehören sowohl die psychischen Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschiedes als auch die traditions und erziehungsbedingte Ausrichtung nach den Forderungen der Gesellschaft an die Frau. Natürliche Anlagen und die Prägungen nach der Geschlechtsrolle lassen sich nicht sicher voneinander unterscheiden. Doch liegt bereits in dem Anteil begründet, den die Frau am Geschlechtsleben hat, daß sie stärker passiv ist. Die Funktion als Mutter erschwert ihr den Zugang zu vielen Aktivitäten, die deshalb als männlich gelten. Umstritten bleibt, wieweit sie dennoch aktiv sind und mit dem Manne konkurrieren kann oder soll (vgl. Emanzipation). Sehr tiefgehend dürfte der Einfluß sein, der von der Tatsache ausgeht, daß für die Frau die erste Liebeserfahrung eine gleichgeschlechtliche ist, die Beziehung zur Mutter, die für sie zunächst ebenso wichtig ist wie für das männliche Kind. Erst später wechselt das Mädchen in eine heterosexuelle Beziehung über, die zum Vater, während der Mann stets dem heterosexuellen Muster folgen kann, das seine erste Beziehung geprägt hat. Beinahe alles andere, was als typisch weiblich gilt, ergab sich aus der Tradition einer männlich bestimmten (patriarchalischen) Gesellschaftsordnung und deren Beschränkungen für die Frau. Das gilt für die Koketterie, für Züge der Unsicherheit und Ängstlichkeit, für die Gefühlsbetontheit oder Sentimentalität. Es gilt sogar für den Realismus, den die Frau in ihrer abhängigen Lage entwickelt hat, obwohl nur wenige Männer diesen Zug erkennen und anerkennen. Daß die Frau der Natur näher steht und von den Künstlichkeiten der Zivilisation weniger beeindruckt ist, dürfte allerdings auch damit zusammenhängen, daß sie öfter und eindringlicher an natürliche Funktionen gemahnt wird. Jede Form der Geschlechter-Beziehung wird von den Unterschieden zwischen Mann und Frau geradeso bestimmt wie von den Gemeinsamkeiten des menschlichen Wesens und der Beschaffenheit der gemeinsamen Umwelt. Deshalb erscheinen die Unterschiede, soweit sie nicht rein biologisch gegeben sind, nicht eigentlich als Gegensätze, sondern als Merkmale, die stärker oder schwächer und ausgeprägt sein können. Alle Männer und Frauen haben auch Eigenschaften, die eher das jeweils entgegengesetzte Geschlecht kennzeichnen. Die grundlegende Bisexualität führt zu Zwischenstufen zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit. Sie sind relativ selten rein körperlich begründet, sondern ergeben sich meist aus den Erfahrungen mit der Umwelt seit dem Beginn der Lebensgeschichte. Je nach den sozialen Verhältnissen in einer bestimmten Zeit und Gesellschaft wird man den Begriff »Weiblichkeit« anders verstehen. Immer ist er von der Vorstellung der »Männlichkeit« abhängig, die er seinerseits mitbedingt.

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