ist wie Arbeitslosigkeit generell in der Psychologie erst mit Beginn ökonomischer Krisen Mitte der siebziger Jahre und den damit verbundenen steigenden Arbeitslosenraten ein wissenschaftliches und vor allem politisch brisantes Thema. Abgesehen von der Pionierstudie aus den dreißiger Jahren (Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel, 1975) ist die psychologische Arbeitslosenforschung erst seit etwa 25 Jahren fester Bestandteil der internationalen sozialwissenschaftlichen Forschung, wenngleich mit unterschiedlicher Rezeption in den einzelnen westlichen Industrienationen. Dem Argument einer generell geringen Arbeitsorientierung oder der These, Jugendlichen mangele es zunehmend an Arbeitsmotivation, wodurch die psychosoziale Betroffenheit in Phasen von Arbeitslosigkeit als nicht sehr gravierend einzuschätzen sei, muß aufgrund aktueller Befunde entgegengetreten werden (Kieselbach, Beelmann & Stitzel, 1999). Vielmehr halten arbeitslose Jugendliche eine hohe Arbeitsorientierung aufrecht, was auf die besondere Bedeutung von Arbeit und Ausbildung unter Jugendlichen verweist. Aus der Forschung zu den Folgen von Jugendarbeitslosigkeit lassen sich folgende psychologisch relevante Befunde ableiten:
- Keine besondere Vulnerabilität von Jugendlichen im Vergleich zu älteren Arbeitslosen, sondern ein kurvilinearer Zusammenhang: Jugendliche weisen mittlere Belastungswerte im Vergleich zu älteren erwerbslosen Menschen (geringere Werte) und Erwerbslosen im mittleren Erwachsenenalter (höchste Belastungswerte) auf. Eine solche eindimensionale Sichtweise der Belastungshöhe greift allerdings vor dem Hintergrund spezifischer altersbezogener Be- und Entlastungsprofile zu kurz. Jugendliche Arbeitslose zeigen z.B. höhere Werte für Ängstlichkeit, Ärger, Hilflosigkeit, Schuld und Scham als ältere Arbeitslose.
- Die Anfangsphase der Arbeitslosigkeit kann für Jugendliche auch entlastende Momente beinhalten, indem sie diese Zeit häufig auch als Entlastung von negativ wahrgenommenen Schulerfahrungen wahrnehmen. Belastungsprofile entstehen vorrangig durch zunehmende familiäre Spannungen und Konflikte, die mit Schuldzuschreibungen verbunden sind.
- Arbeitslosigkeit bedeutet für Jugendliche nicht nur die Folgen, die aus der Erwerbslosigkeit entstehen, wie z.B. die Kumulation von Alltagssorgen i.S. von daily hassles, sondern gleichzeitig das Vorenthalten entwicklungsfördernder Funktionen von Arbeit (wie z.B. Sinnstiftung, Identitätsbildung, Zeitstrukturierung, soziale Kontaktmöglichkeiten) und öffnet insofern eine "Entwicklungsschere" zwischen arbeitslosen und beschäftigten Jugendlichen. Ein solcher Effekt ist durch die Zunahme psychischer Symptome bei arbeitslosen Jugendlichen und durch die mit Arbeitstätigkeit einhergehende Verbesserung der psychischen Entwicklung bei Jugendlichen, die eine Ausbildung oder Beschäftigung aufnehmen, festzustellen.
- Im Vergleich zu Erwachsenen wird für Jugendliche ein besserer Gesundheitszustand angenommen, der mögliche negative Folgen von Arbeitslosigkeit eine Zeit lang abfedern kann. Arbeitslose Jugendliche können im Erwachsenenalter von erheblichen gesundheitlichen Folgeschädigungen aufgrund der nachweisbar stärkeren Ausübung riskanter Gesundheitsverhaltensweisen betroffen sein (Eß- und Schlafgewohnheiten, Alkohol- und Tabakkonsum, Hygiene und sportliche Aktivitäten). Damit könnten die arbeitslosen Jugendlichen von heute die Kranken im mittleren Alter sein.
- Bei einem Vergleich der psychosozialen Betroffenheit arbeitsloser und beschäftigter Jugendlicher muß als eine moderierende Variable jedoch auch die individuelle Zufriedenheit mit der Beschäftigung einbezogen werden. Arbeitslose und unzufrieden Beschäftigte zeigen eine schlechtere psychische Gesundheit und unterscheiden sich damit deutlich von zufriedenen Beschäftigten (Winefield et al., 1993). Auch die Qualität und Kontinuität beruflicher Tätigkeiten ist ein zentraler Indikator für psychische Gesundheit. Unterbeschäftigte Jugendliche weisen ein deutlich geringeres Selbstwertgefühl auf als Vollzeit-Beschäftigte (Dooley & Prause, 1997).
Es muß aufgrund der spezifischen Besonderheiten und Belastungsmuster bei Jugendlichen sowie der erhöhten Verweigerungsquote besonders stark Belasteter in empirischen Erhebungen generell von einer konservativen Unterschätzung psychosozialer Belastungen arbeitsloser Jugendlicher in empirischen Studien ausgegangen werden.
Literatur
Dooley, D. & Prause, J.A. (1997). Effect of students self-esteem on later employment status: Interactions of self-esteem with gender and race. Applied Psychology, 46 (2), 175-198.
Jahoda, M., Lazarsfeld, P.F. & Zeisel, H. (1975, Erstveröff. 1933). Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Kieselbach, T., Beelmann, G. & Stitzel, A. (1999). Youth unemployment and health in Germany. In T. Kieselbach (Hrsg.), Youth Unemployment and Health in Six European Countries (Psychologie sozialer Ungleichheit, Bd. 9). Leverkusen: Leske + Budrich.
Winefield, A. H., Tiggemann, M., Winefeld, H.R. & Goldney, R.D. (1993). Growing up with unemployment. London: Routledge.
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