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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Kult

Autor
Autor:
Werner Eberlein

von lateinisch cultus = Pflege, der (religiöse) Verehrungsdienst. In den oft streng festgelegten Formen des Kults setzt sich der Mensch mit den Rätseln der Natur und der Übermacht des Schicksals auseinander. Wie er mit Glauben und Mythos einen Sinn in dem Unbegreiflichen sucht, so möchte er es mit Gebet und Opfer aktiv beeinflussen. Indem er sich die Kräfte, von denen er abhängig ist, als Wesen vorstellt (Animismus), als Dämonen oder als Götter, gewinnt er eine seelische Beziehung zu ihnen. Im Kult behandelt er sie wie die Mächtigsten unter seinesgleichen. Gerade weil das Walten dieser Kräfte zunächst unvorsehbar ist, begegnet er ihnen im Kult mit einem System sichernder Formen. Sie werden auf eine lange Tradition zurückgeführt, deren Beibehaltung den Wunsch nach ewiger, unbezweifelbarer Gültigkeit des Glaubens spiegelt. Die festgelegte Feierlichkeit der Verehrung betont den Charakter des Heiligen, zu dem auch gewisse Verbote gehören (wie beim Tabu). Auf solche Weise verändert der Mensch zwar nicht die äußere Realität, wohl aber sein inneres Verhältnis zu ihr. Bis zu einem gewissen Grade stimmt er sich darauf ein, das Unabänderliche zu akzeptieren. Zugleich gewinnt er seelische Kraft für seinen Überlebenskampf. Da er weiß, daß er in ihm der Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft bedarf, nähert er sich auch seinen Göttern in einer Kult-Gemeinde. Nur so wagt er die Auseinandersetzung; und nur in der Gemeinschaft ist das Erlebnis stark genug, um den Einzelnen nachhaltig umzustimmen. In vielen Kulten geschehen Dinge, die sonst verboten sind, etwa bei Orgien oder bei der Totem-Mahlzeit. Aber die Entlastung, die sie dann bieten, ist eben nur in der Kultgemeinschaft gestattet. Der Ritus schließt viele sinnliche Eindrücke ein, Musik, Tanz, den Geruch von Opferfeuern, manchmal auch den Geschmack ritueller Speisen und Getränke. Gelegentlich steigert man sich in einen Rausch. In der Kultgemeinde werden gleichsam Lie besbeziehungen hergestellt. Opferhandlungen drücken Gefühle der Aggression aus. Die lebendige Wirksamkeit einer Religion hängt wesentlich von den sinnlichen Befriedigungen ab, die ihr Kult zu bieten hat. Unter den christlichen Konfessionen stützt sich die katholische Kirche am stärksten auf ihren Kult, während in den protestantischen (evangelischen) Richtungen die Lehre und die Gemeinde wichtiger sind als die Zeremonien. Die Bindekraft des gemeinsamen, sinnlichen Erlebens beim Kult haben sich viele politische Weltanschauungs-Organisationen zunutze gemacht, die sich nicht zuletzt deswegen als Ersatz-Religionen begreifen lassen.

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