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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Ersatz

Autor
Autor:
Julia Schneider-Ermer

die aushilfsweise Befriedigung eines Wunsches, dessen eigentliches Ziel nicht erreichbar ist. In unseren Träumen und Tagträumen halten wir uns für die Versagungen der Wirklichkeit schadlos. Die Literatur, die Bildende Kunst, das Theater, der Film und das Fernsehen bieten uns Phantasien an, die wir als Ersatz für die Mängel des eigenen Lebens nachvollziehen können. Könige, Helden, heute auch die Stars und all die Prominenten, von denen uns die Klatschpresse berichtet, führen sozusagen in aller Öffentlichkeit ein Stellvertreterleben, in dem vieles möglich und erlaubt oder sogar geboten ist, was auch wir erfahren möchten, unseren eigenen Kräften aber unzugänglich ist. Auf Ersatz angewiesen sind vor allem unsere sexuellen und unsere aggressiven Wünsche. Schausport, Berichterstattung über Verbrechen und Krieg und die Darstellung fiktiver Verbrechen im »Krimi« beschwichtigen die Aggressionstendenzen. Das Geschäft mit dem Sex bis hin zur Pornographie und ein Alltags Voyeurismus, etwa die Schaulust an enthüllender Kleidung, dämmen das Verlangen nach realer Sexualität ein, vor allem nach jenen ihrer Formen, die als »pervers« gelten. Viele Ersatzhandlungen lassen nicht ohne weiteres erkennen, daß sie etwas ersetzen sollen. Erst Freud entdeckte in gewissen Symptomen der Hysterie und anderer Neurosen den Ausdruck sexueller Tendenzen. In ihnen hat zwar die Verdrängung dafür gesorgt, daß die Sexualität unkenntlich wurde, aber zu dem Symptom hatte doch auch der Trieb beigetragen. Der Konflikt, der sich hier zur Krankheit gesteigert hat, kann sich auch bei gesunden Menschen gelegentlich oder gewohnheitsmäßig in Symptom oder Zwangshandlungen äußern, die zugleich Ersatzhandlungen sind. In diesem Sinne sind Nägelkauen, Nasen-bohren, Herumzupfen an der Kleidung und ähnliches zu verstehen.

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