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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Mythologie

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

die Sagen von der Erschaffung der Welt, von Göttern und Helden, von der Vorgeschichte des eigenen Volkes, oft auch vom Weltuntergang. In Mythen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen und Zeiten wiederholen sich ganz ähnliche Motive. Sie wandeln sich im Laufe der Überlieferung, vermischen sich miteinander, und spätere Formen verdecken die ursprünglichen Ansätze. Sie stellen eine Art Kindheitserinnerung der Menschheit oder eines Volkes dar. Wie der einzelne Mensch die realen Ereignisse seiner frühen Kindheitvergessen, verdrängt hat (vgl. Amnesie) und an ihre Stelle wunschgerecht gemodelte Phantasien setzt, sind auch die Mythen großartige Verkleidungen vergangener Wirklichkeit. In diesen Menschheits-Phantasien spiegeln sich dieselben Vorgänge und Probleme, die auch den Einzelmenschen in seiner Kindheit beschäftigen. Es wurden die Beziehungen des einzelnen Kindes zum Vater, zur Mutter, zu Geschwistern gleichsam in den Himmel projiziert, die Eltern zu Göttern erhoben. Die Rebellion des Kindes wurde zur Heldensage verklärt. Die Vorgänge in der außermenschlichen Umwelt erscheinen ganz wie in der Verständnismöglichkeit des Kindes von Kräften bestimmt, deren Wesen dem der Menschen ähnelt (vgl. Animismus), die man also auch wie Menschen beeinflussen kann (vgl. Magie). Die ganze Welt wird als ein System aufgefaßt, das sich auf den Einzelnen bezieht. In den Themen der Mythologie spiegeln sich so sehr die typischen Konflikte des Menschen im Lauf seines Lebens, daß die moderne Tief enpsychologie die mythologischen Namen zur Bezeichnung eben dieser Konflikte benutzt hat: Oedipus, Elektra, Narzißmus usw. C. G. Jung ist noch weiter gegangen; er sah in diesen mythologischen Themen Archetypen, die das kollektive Unbewußte steuern. Während Freud in der Oedipus-Sage die Realität symbolisiert sah, führte Jung diese Realität auf einen Mythos zurück. Die mythenbildende Kraft ist nicht völlig erloschen. In einer Zeit, in der man an die alten Götter nicht mehr recht glauben kann, und in der die Technik uns sogar erlaubt, fremde Himmelskörper zu erreichen, schuf Erich von Däniken den Mythos von den Astronauten aus solchen Welten, die irgendwann auf der Erde gelandet seien, um die menschliche Kultur entscheidend voranzutreiben, und die ihrer Überlegenheit wegen von den Menschen als Götter verehrt worden seien. Seine Theorie scheint manches zu erklären, was anders bislang nicht erklärt werden kann, technisiert gleichsam die Religion – und erhebt zugleich technische Vorstellungen in den Bereich des Mythos.

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