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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Innenlenkung

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

nach Auffassung des amerikanischen Soziologen David Riesman eine der drei Formen der Anpassung des Einzelnen an die Gesellschaft. Danach ging der Innenlenkung, die im bürgerlichen Zeitalter vorherrschte, die Traditionslenkung voraus, wie sie für bäuerliche Gesellschaften typisch ist. In unserer modernen Industrie und Massengesell Schaft setzt sich allmählich die dritte Form, die Außenlenkung durch. Die Innenlenkung wird vor allem in der Erziehung des kleinen Kindes durch seine Eltern vorbereitet. Die Gebote und Verbote, die sie im Einklang mit der Moral ihres Volkes, ihrer Religion und ihrer Schicht erlassen, werden verinnerlicht, ins eigene Gewissen übernommen; psychoanalytisch ausgedrückt: es wird das Über-Ich aufgebaut. Es ist also eine Instanz in der eigenen Seele, die fortan das Empfinden und Verhalten »von innen her« lenkt. Riesman hat das »Organ« der Innenlenkung mit einer Kompaßnadel verglichen, die stets nach dem gleichen Pol zeigt. Die Innenlenkung kann also eine klare, einheitliche Richtung weisen. Sie kann aber auch starr werden, etwa Forderungen stellen, an denen ein Mensch scheitern muß, oder vor völlig neuen Situationen in der Umwelt versagen. So sehr man Gewissensentscheidungen zu achten verspricht, man hat doch zu allen Zeiten eine festgefahrene Innenlenkung im Interesse der Fügsamkeit zu durchbrechen versucht. Im Zeichen der Außenlenkung läßt sich der Einzelne viel leichter auf die schnell wechselnden Anforderungen der modernen Gesellschaft einstimmen. Instinkt, ein angeborenes Verhaltensmuster, das gleichsam automatisch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse und den Schutz vor Umweltgefahren regelt. Beim Menschen sind die Instinkte durch den Verstand und die Anpassung an die Kultur überlagert. Seine Triebe sagen ihm nicht, auf welche Weise er sie ausdrücken soll. Deshalb führen alle Versuche der Verhaltenspsychologen, die Beobachtungen bei Tieren auf den Menschen zu übertragen, nicht sehr weit. Im Streit zwischen den verschiedenen Schulen der Psychologie um die »Instinkte« des Menschen hat der burische Schriftsteller und Forscher Eugene Marais eine interessante Theorie entwickelt. In seinem nachgelassenen, unvollendeten Buch »Die Seele des Affen«, geht er von Beobachtungen aus, die er bei Pavianen gemacht hat. Daraus schloß er, daß bei diesen Tieren der Verstand den Instinkt zu überwiegen beginnt. Doch er ersetzte diese Begriffe durch die Formeln vom »phyletischen« und »kausalen Gedächtnis«; das eine in der Entwicklung der Art (phylogenetisch) ausgebildet und an jedes Einzelwesen weitervererbt, das andere aus der Erkenntnis von Ursache und Wirkung entstanden, während des Lebens durch Belehrung und Erfahrung gebildet. Das »phyletische Gedächtnis« kann sich veränderten Umweltbedingungen nicht anpassen; es würde also für Tiere, die sich in verschiedenen Umwelten behaupten müssen (wie dann der Mensch), nicht ausreichen. Das »kausale Gedächtnis« stellt vor Entscheidungen, statt einen zweifelsfreien Gehorsam auszulösen. Das »phyletische Gedächtnis« ist aber bei den höheren Tieren nicht ausgelöscht. Bei den Menschen ist es nach Marais ins »Unterbewußtsein« verdrängt, das er vom »Unbewußtsein« nach psychoanalytischer Auffassung unterscheidet. Bei manchen kulturell zurückgebliebenen Menschen, oder unter Hypnose, oder in gewissen Rauschzuständen meldet sich das »phyletische Gedächtnis« noch recht stark. So zeigt sich manchmal ein Richtungssinn, der nicht aus Erfahrungen stammen kann, sondern wie ein »Instinkt« wirkt. Die hypnotische Bewußtseinserweiterung spielte auch bei der Entwicklung der modernen Psychologie eine große Rolle, ohne daß sie sich auf Marais oder er sich auf sie berufen konnte. Dazu kann man die Erscheinungen der Parapsychologie heranziehen (Telepathie, Hellsehen, Zukunftsschau), die auf einen »sechsten Sinn« zurückzugehen scheinen, der allgemein durch die Kultur und die Entwicklung des Verstandes zurückgegangen ist, sich aber bei besonderen, »sensitiven« Menschen noch erhalten hat. Die Thesen von Marais haben leider wenig Beachtung gefunden und sind kaum ernsthaft diskutiert worden. Sie bieten einen Ansatz, unsere Einsicht in das Problem des Instinktes beim Menschen zu erweitern.

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