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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Bettnässen

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

Harnabgang während des Schlafes (medizinisch: Enuresis nocturna). Die unwillkürliche nächtliche Entleerung kommt vor bei Kindern, während der Pubertät, gelegentlich auch bei Erwachsenen. Sie kann auf körperliche Störungen, zum Beispiel in der Funktion des Blasenschließmuskels, zurückgehen, ist aber meist seelisch bedingt. Dann drückt das Bettnässen aus, daß ein Kind nicht erwachsen werden, ein Herangewachsener wieder Kind sein will. Aus Mangel an Liebe und Wärme wird unbewußt die Wärme des eigenen Harns gesucht. Es kann auch ein Protest gegen Anforderungen darin liegen oder sogar die Herausforderung einer Strafe, die ja immerhin eine Form der Beachtung wäre. Auch erotische Motive spielen eine Rolle, und auf Bettnässer-Erfahrungen in der Kindheit gehen gewisse sexuelle Fixierungen (Perversionen) in der Art der Urolagnie (Harnwollust) zurück. Gegen Bettnässen helfen Strafe, Beschämung und Ermahnung wenig; man sollte besser auf den Ruf nach Zuwendung hören, der darin liegt. Bewußtsein begleitet alle Erscheinungen, die wir als gegenwärtig wahrnehmen, sodaß wir auch über sie berichten könnten. Es setzt einen Grad von Aufmerksamkeit für die äußeren Erfahrungen und die inneren Vorgänge wie Denken und Fühlen voraus. Bewußtsein ist also eigentlich ein flüchtiger Zustand. Eine Umgebung etwa, in der wir uns stän dig befinden, wird uns meist nicht mehr bewußt, bis wir uns wieder absichtlich in ihr umschauen. So nehmen wir viele Dinge zwar irgendwie wahr, ohne sie bewußt zu registrieren. Ihr Eindruck kann sogar in unsere Erinnerung eingehen, ohne daß wir es bemerken und seine Quelle noch kennen. Nur für diese Art des »Halbbewußtseins« wäre der Ausdruck »unterbewußt« angemessen, der meist jedoch mißverständlich und mißverstanden an die Stelle des psychoanalytischen Begriffs »unbewu ßt« gesetzt wird. Vieles, was uns im Augenblick nicht bewußt ist, kann gleich darauf leicht ins Bewußtsein treten. Es liegt sozusagen in einem Lager bereit, aus dem es jederzeit hervorgeholt werden kann. Diese Inhalte nannte Freud »vorbewußt«. Sie unterscheiden sich ihrem Wesen nach nicht von den Inhalten des Bewußseins. Eine deutliche Grenze zieht sich erst zwischen den bewußtseinsfähigen Vorgängen und denen im Unbewußten ab. Lange galt das Bewußtsein als Summe des seelischen Lebens überhaupt. Philosophen und Dichter in der Zeit der Romantik begannen, das Unbewußte zu entdecken. Wissenschaftlich wurde es erst durch die Forschungen Freuds faßbar. Die Tiefenpsychologie stellt das Bewußtsein als »Spitze eines Eisberges« dar, dessen größter Teil unter dem Pegel des Bewußtseins, also im Unbewußten liegt. Der strenge Behaviorismus lehnt den Begriff »Bewußtsein« überhaupt ab.Verhaltensstörung von Jungen und Mädchen, die noch nach dem vierten Lebensjahr gelegentlich oder regelmäßig, tagsüber oder während der Nacht, unwillkürlich ihre Blase entleeren. Man unterscheidet zwischen primärem und sekundärem Bettnässen: Das erste liegt bei Kindern vor, die nie sauber werden, das zweite, wenn ein Kind (häufig nach der Geburt eines Geschwisters) wieder anfängt, ins Bett zu machen. Die Ursachen sind in über 95 Prozent der Fälle seelisch; Mißbildungen der Harnwege spielen nur selten eine ausschlaggebende Rolle. Bettnässen (Enuresis) und das Gegenstück des Einkotens (Enkopresis) drücken einerseits eine Regression auf eine frühkindliche Entwicklungsstufe aus (wenn zum Beispiel ein Kind merkt, daß ein jüngeres Geschwister bevorzugt wird), andererseits auch Aggressionen gegen durch die Eltern verhängte Einschränkungen (anale Phase).

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