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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Potenz

Autor
Autor:
Klaus-Dieter Zumbeck

»Kraft«, vor allem die Fähigkeit des Mannes zum Vollzug der Geschlechtsvereinigung. Sie setzt voraus, daß er einen sexuellen Reiz (Stimulation) aufnehmen kann, daß die Aufrichtung und Versteifung des Penis stattfindet (Erektion), daß im gegebenen Zeitpunkt das Herausschleudern des Samens erfolgt (Eja kulation), und letztlich dabei auch ein höchstes Lustgefühl erfahren wird (Orgasmus). An jedem dieser Punkte kann dieser Vollzug gestört sein. Die Ursachen dafür liegen in den weitaus meisten Fällen im seelischen Bereich. Der Reiz mag nicht stark genug sein, um Hindernisse und Hemmungen zu überwinden. Die Empfänglichkeit für Reize mag durch frühe Erfahrungen sehr eingeengt sein. Dann liegt oft eine Fixierung auf bestimmte Formen der Sexualität (vgl. Perversion), auf ein Imago oder einen Fetisch vor. Für viele Männer müssen bestimmte Liebesbedingungen erfüllt sein, ehe sie ihre Potenz voll ins Spiel bringen können. Nur kulturell wenig geprägte Männer sind in beinahe jeder Situation und beinahe jeder Frau gegenüber potent. Bei den anderen kann man von einem Versagen nur reden, wenn sie sich auf eine Begegnung eingelassen haben, von der sie hätten wissen können, daß sie nicht ihren Bedingungen entspricht. Die Hemmungen, die eine Erektion beeinträchtigen, oder eine Ejakulation verhindern, oder sie vorzeitig herbeiführen, oder auch einen Orgasmus ausbleiben lassen, liegen meist im Unbewußten und lassen sich deshalb nicht ohne weiteres überwinden. Sie beruhen vor allem auf tief eingepflanzten Verboten und moralischen Idealen. Oft gehen sie auf den Inzest-Konflikt zurück, auf das Liebesverbot gegenüber der Mutter, das auf andere liebenswerte Frauen übertragen wird. Dieser Zusammenhang zeigt sich besonders bei jenen Männern, deren Potenz in einer Liebesbeziehung gestört ist, während sie bei einer ungeachteten, nur sinnlich anziehenden Frau gegenüber voll potent sind. Eine Rolle spielt aber auch das Selbstbewußtsein des Mannes, sei es, daß er sich seines Erfolges sicher ist, sei es, daß er schon öfter ein Versagen erfahren oder auf Ablehnung bei Frauen gestoßen ist. Eine solche Unsicherheit wurzelt wiederum in früher Kindheit; die Enttäuschungen im späteren Leben folgen eigentlich einem Wiederholungszwang. Manche Schwierigkeit kommt aus dem Verhältnis des Mannes zur Frau überhaupt, aus der Frage ob er ihr wirklich überlegen ist, wie er es nach seiner traditionellen Geschlechtsrolle erwartet, oder ob sie ihm nicht im Grunde unerreichbar sein mag. Die sexuelle Potenz ist ein so wichtiger Aspekt der Männlichkeit, daß ihre Unzuverlässigkeit eine schwere Kränkung des Selbstgefühls bedeuten kann. Dann werden entweder immer neue Beweise dieser Potenz gesucht, etwa nach dem Muster des Don Juan, oder aber es wird der Ausdruck der eigenen Kraft außerhalb der Geschlechter-Beziehung gesucht. Von der Großartigkeit, die mancher Autofahrer am Steuer sich und anderen beweisen will, über die Aggression, die sich in Verbrechen äußert, bis zur Machtausübung politischer Führer und Kriegsherren erstreckt sich das Feld, auf dem ein Ausdruck oder ein Ersatz der männlichen Potenz gesucht wird.

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