Versagung oder Enttäuschung. Das eine bedeutet, daß man nicht die Befriedigung, die Liebe und die Geborgenheit erfahren hat, die man sich so dringend gewünscht hätte. Das andere heißt, daß man sich einer Zuwendung und Wertschätzung sicher glaubte, die sich dann doch als unzuverlässig erwies. Beide Male haben sich Erwartungen nicht erfüllt. Wenn ein Kind nicht das Maß an Liebe und Schutz erfährt, das es braucht, wird es Vertrauen weder zu sich selbst noch zu den Mitmenschen gewinnen. Hier kann die Versagung Wunden hinterlassen, die das ganze Leben schwer beeinträchtigen. Und doch muß das Kind auf Frustrationen vorbereitet werden, wie sie niemandem erspart bleiben. Es muß lernen, Verzichte zu leisten, wie sie das Zusammenleben in der Gemeinschaft notwendig macht. Der Mensch muß eine Toleranz für Frustrationen ent wickeln. Das kann er nur, wenn es trotz seiner Verzichte noch genügend Befriedigung gibt. So sollte der Gehorsam des Kindes und seine Bereitschaft zum Verzicht nicht nur durch Drohungen mit Liebesentzug und Strafe gesichert, sondern auch durch ausgleichende Liebeszuwendung und Anerkennung belohnt werden. Zugleich müßte man dem Kinde helfen, das Wunschdenken nach dem Lustprinzip schrittweise zu überwinden und die Realität zu erkennen. »Enttäuschung« heißt ja, einen Wahn zu verlieren, könnte also als Sieg des Realitätsprinzips betrachtet werden und ist nur deshalb schmerzlich, weil der Wahn so viel schöner war als die Wirklichkeit. Die Kette der unvermeidlichen Frustration beginnt, wenn der Säugling merkt, daß die Mutterbrust nicht immer verfügbar ist. Diese Erfahrung lehrt ihn, zwischen seinem Ich und der Außenwelt zu unterscheiden. Sie nötigt ihn, selbst aktiv zu werden, zum Beispiel: nach der Mutter zu schreien. Dann muß das Kind erfahren, daß es die Liebe der Mutter teilen muß mit dem Vater, mit Geschwistern. Um diese Liebe nicht völlig zu verlieren, muß es die »Rivalen« in die eigene Liebe einbeziehen. Die Eindämmung der analen Lust im Verlauf der Reinlichkeitserziehung bedeutet einen weiteren schmerzlichen Verzicht, über den nur die liebevolle Anerkennung des Gehorsams hinweghilft. Im Fortschritt der kindlichen Sexualentwicklung werden weitere Schranken gesetzt, als schwerster Verzicht der auf die sinnliche Liebe zu den Nächsten (Inzest) gefordert. In der Schule erfährt man, daß in der Welt draußen Leistungen mehr zählen als Liebeserweise. Der Erwachsene muß einsehen, daß er bei weitem nicht so großartig ist, wie sich das Kind einst den Vater vorgestellt hat, den es zum Vorbild nahm. Gegen all dies gilt es, die Zuversicht auf den Lebensgewinn zu behaupten.Von S.Freud als «Versagung» eines Wunsches oder Bedürfnisses beschrieben, im amerikanischen Sprachraum mit «frustration» übersetzt und in der deutschen Fachsprache wieder eingeführt (das Tätigkeitswort frustrieren für versagen ist ebenfalls in Gebrauch). Mögliche Reaktionen auf eine Frustration sind Aggression, Regression, Verleugnung (Verneinung), Fixierung und gesteigerte oder verringerte Reaktionsstärke. Wenn man zum Beispiel Versuchspersonen die Aufgabe stellt, eine Blume heranzuholen, ohne ein mit Latten ausgelegtes Gebiet zu verlassen, und ihnen nach der erfolgreichen Lösung (mit Hilfe eines Stuhls, der als Verlängerung des Arms verwendet wird) sagt, es gebe noch eine zweite (tatsächlich nicht mögliche) Lösung, dann fangen einige an, nach der Blume zu werfen (Aggression), andere verleugnen die ungelöste Aufgabe (Verleugnung) oder erzählen Märchengeschichten wie: man müßte die Blume dazu bringen, herbeizuwandern (Regression).
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