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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Schopenhauer

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

Arthur, 1788–1860, in Danzig als Sohn eines angesehenen Kaufmanns geborener deutscher Philosoph. Schopenhauer sollte nach dem Willen des Vaters ebenfalls Kaufmann werden und nicht das Gymnasium besuchen. Erst spät, nach begonnener Kaufmannslehre, holte er das Abitur nach und begann 1809 an der Universität Göttingen ein Studium der Medizin, das er jedoch ein Jahr später bereits aufgab, um sich der Philosophie zuzuwenden. 1811 ging er nach Berlin, 1813 promovierte er in Jena, und 1820 habilitierte er sich in Berlin. Seine Universitätslaufbahn verlief wenig glücklich, und es gelang ihm nicht, eine akademische Karriere zu machen. Er lebte vom ererbten väterlichen Vermögen und ließ sich 1831 als Privatgelehrter in Frankfurt am Main nieder, wo er bis zu seinem Tod zurückgezogen lebte. 1816 veröffentlichte er eine Farbenlehre mit dem Titel “Über das Sehen und die Farben”, die bereits die grundlegenden erkenntnistheoretischen Positionen seines späteren Werks widerspiegelte. Sein Hauptwerk “Die Welt als Wille und Vorstellung” erschien im Jahr 1819, blieb aber lange Zeit unbeachtet und erfuhr erst in seinem letzten Lebensjahrzehnt Anerkennung. Neben der Arbeit an seinen Schriften widmete sich Schopenhauer vor allem dem Studium der buddhistischen und hinduistischen Philosophie sowie der Mystik.

Unter dem Einfluß Platons, Immanuel Kants und buddhistischen Gedankengutes vertrat Schopenhauer in seiner Erkenntnistheorie die Position des Idealismus. Er beschritt innerhalb dieser Grundauffassung jedoch einen eigenen Weg und lehnte insbesondere die Philosophie Georg Wilhelm Hegels vehement ab. Er griff naturwissenschaftliche Erkenntnisse seiner Zeit auf und entwickelte eine Physiologie der Wahrnehmung. Seiner Vorstellung nach existiert die Erscheinungswelt nur insoweit, als sie wahrgenommen wird und im menschlichen Bewußtsein vorhanden ist, also als bloße Vorstellung des Subjekts. Der Vorstellungswelt liegt der Wille zu Grunde, den er als triebhaften Urdrang versteht. Im Gegensatz zur Philosophie Hegels spricht er der Welt und der Geschichte jeglichen Sinn ab. Der Wille, der unbewußte Drang im Weltgeschehen, ist in allen Naturerscheinungen, in der organischen (bei Pflanzen und Tieren) wie auch der nische Natur zu finden, wird aber lediglich dem Menschen bewußt. Der Wille manifestiert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung (höchster Ausdruck des Willens ist der Geschlechtstrieb). Diese Lehre vom “Primat des Willens” bildete das Kernstück der pessimistischen Philosophie Schopenhauers.

Da der Wille ein nicht zu befriedigender Daseinsdrang ist, erwächst daraus dem Menschen ständiges Leid, denn der Wille erzeugt fortwährend neue Bedürfnisse, die letztendlich nicht befriedigt werden können. Da es aufgrund der nicht zu befriedigenden Wünsche kein dauerhaftes Glück gibt, ist das Leben unausweichlich von Schmerz und Leiden gekennzeichnet. Deshalb macht allein das Mitleid ein Zusammenleben möglich. Durch das Mitleid wird der Egoismus überwunden, der Mensch identifiziert sich mit dem anderen durch die Einsicht in das Leiden der Welt. Den einzigen Weg zur Erlösung stellt die völlige Entsagung aller Wünsche – die Verneinung des Willens – dar. Schopenhauers Metaphysik ist stark vom Buddhismus geprägt, und in seiner Ethik verbindet er buddhistische Anschauungen mit denen der christlichen Mystik (das Christentum lehnte er allerdings ab). In der Philosophie beeinflußte er insbesondere Friedrich Nietzsche und Henri Bergson, in der Musik u.a. Richard Wagner, in der Literatur Thomas Mann. In der Psychologie wurden seine Gedanken u.a. von Eduard von Hartmann und Sigmund Freud aufgegriffen. Für die Psychoanalyse wurden sein Pessimismus-Begriff, der unbewußte Wille, seine Betrachtungen der Sexualität und seine Anmerkungen zur Traumpsychologie von Bedeutung.


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