hatte in der psychologischen Forschung lange Zeit nur einen nachrangigen Stellenwert. Die konzeptionelle Differenzierung des Einsamkeitskonstruktes in die Komponenten emotionale und soziale Einsamkeit durch Weiss (1973) sowie die Entwicklung der UCLA-Loneliness-Scale durch Peplau und Perlman (1982) waren fruchtbare Anstöße für verstärkte konzeptionelle und empirische Beschäftigung mit Einsamkeit. Im deutschsprachigen Raum wirkten die Übersichtsarbeiten von Elbing (1991) und Schwab (1997) sowie die Studien von Böring und Bortz (1993) in analoger Weise. Der Versuch, Einsamkeitserleben mit Hilfe von psychometrischen Verfahren systematisch zu erfassen, bedingte zum einen die Notwendigkeit, das Einsamkeitskonstrukt konzeptionell zu differenzieren, und ermöglichte zum anderen erfahrungswissenschaftlich begründete Analysen antecedenter und konsequenter Bedingungskomponenten.
Empirische Befunde sprechen überwiegend für die Annahme eines mehrdimensionalen Konstruktes. Obwohl Präzisierung und Operationalisierung dieser Komponenten bisher mehr oder weniger gelungen sind, ist die Suche nach Teilkomponenten des Einsamkeitskonstruktes begrüßenswert, da sie über globale und unbestimmte Einschätzung von Häufigkeit oder Intensität der Einsamkeit hinausreicht und durch die empirische Erhellung von Struktur und Dimensionsmerkmalen ermöglicht, die unterschiedlich ausgeprägten Facetten und Aktualisierungen eines komplexen Erlebensbereichs menschlichen Daseins phänomennah zu verstehen, zu beschreiben und zu erklären. Damit eröffnen sich differenzierte und ökologisch bedeutsame Perspektiven zum Umgang mit Einsamkeit.
Die empirische Erforschung der Antecedentia, Konsequenzen und Korrelate des Einsamkeitserlebens erbrachte vielfältige, nicht immer konsistente Befunde. Gleichwohl konnten dadurch die Einsichten in das komplexe Phänomen verbessert werden. Clusteranalytische Gruppierungen der Personen verweisen auf unterschiedliche Ausprägungsgrade der Einsamkeitserfahrung (zeitweilig Einsame, unzufrieden hilflos Einsame, resigniert hoffnungslos Einsame). Faktorenanalytische Befunde identifizieren als typische Einsamkeitsgefühle Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Langeweile, innere Leere, Selbstmitleid, Sehnsucht, Verzweiflung. Als Verhaltenskorrelate des Einsamkeitserlebens (Extremgruppenvergleiche) finden sich Defizite bei sozialen Fertigkeiten, bei Selbst- und Fremdbeurteilungen, bei Kommunikationsmustern und Selbstöffnungstendenzen. Mißerfolgsorientierte, internale, defensiv rechtfertigende sowie aggressive Attribuierungstendenzen, Entwerten des Gegenübers, übermäßige Anpassung, Rückzugsverhalten, unattraktive Selbstpräsentation und hilflose Untätigkeit sind weitere Merkmale. Die stereotype Annahme, höheres Alter gehe mit vermehrter Einsamkeit einher, ist empirisch so undifferenziert nicht haltbar (Altersprobleme). Hohe Einsamkeitshäufigkeiten finden sich hingegen bei Jugendlichen sowie bei den 40-50jährigen. Geschlechtsunterschiede zeigen sich höchstens in Abhängigkeit von Erhebungsinstrumenten, jedoch scheinen Maskulinität eher vor sozialer und Feminität eher vor emotionaler Einsamkeit zu schützen. Minderwertigkeitsgefühle, negatives Selbstkonzept, erhöhte Selbstkritik, Angst vor Zurückweisung, erhöhte Neurotizismus- und Introversionswerte sind häufig berichtete Persönlichkeitsmerkmale einsamer Personen. Hinzu kommen kognitive Schemata bzw. Grundhaltungen pessimistisch handlungslähmender Natur sowie irrationale Einstellungen. So zentral die persongebundenen Merkmale auch sind, so dürfen deren Bedingungskomponenten, biographische Erfahrungen und Merkmale sozialer Netzwerke, in ihre Bedeutung für Genese und Aufrechterhaltung von Einsamkeit nicht übersehen werden, da die subjektive Konstruktion von Einsamkeit auf der Erfahrung mit Interaktionserfahrungen und objektiven Netzwerkmerkmalen basiert. Empirisch zeigte sich, daß einsame Personen im Mittel kleinere und weniger dichte Unterstützungsnetze haben (soziale Netzwerke). Jedoch ist zu beachten, daß weniger die quantitativen Merkmale einsamkeitsrelevant sind als vielmehr die qualitativen Merkmale der Netzwerkstruktur. Eine noch wenig beachtete Diskrepanzerfahrungen in der Ätiologie des Einsamkeitserlebens stellt die Perspektive des Sinnverlustes dar, ein spezifischer Aspekt der Entfremdung von sich und der Umwelt, den wir als Sinneinsamkeit bezeichnen. Bei dem Bemühen, Einsamkeit zu bewältigen, geht es zum einen um Akzeptanz der unausweichlichen Einsamkeitserfahrung, zum anderen um Umbauprozesse in der Beziehung zu sich selbst sowie in der Qualität und Quantität der Beziehung zu anderen. Ein beeindruckend theoretisch sowie empirisch gestütztes Programm hierzu haben Roth u. a. (1999) vorgelegt.
Literatur
Döring. N. & Bortz, J. (1993). Psychometrische Einsamkeitsforschung: Deutsche Neukonstruktion der UCLA-Loneliness Scale. Diagnostica, 39, 224-239.
Elbing, E. (1991). Einsamkeit. Göttingen: Hogrefe.
Peplau, L. & Perlman, D. (1982). (Eds.) Loneliness. New York: Wiley.
Roth, A., Möhrlein, H. & Röhrle, B. (1999). Einsamkeit bewältigen. Tübingen: dgvt.
Schwab, R. (1997). Einsamkeit. Bern: Huber.
Weiss, R. (1973). Loneliness: The experience of emotional and social isolation. Cambridge: Mass. MIT-Press.
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