das Gefühl nach einem ernsten Verlust. Mit seelischem Schmerz gedenken wir eines Besitzes, der wie ein Stück des eigenen Wesens zu uns gehört zu haben scheint, und von dem wir uns nun doch haben trennen müssen. Wir trauern um die Ideale der Jugendzeit, die sich mit wachsender Erfahrung als Illusion erwiesen haben. Wir beklagen den Verlust materieller Güter, der uns Beschränkungen auferlegt und uns zu einer neuen Lebenseinstellung zwingt. Vor allem aber schmerzt uns der Tod naher Angehöriger und Freunde, mit denen wir uns so selbstverständlich verbunden fühlten. Dann kann man kaum begreifen, daß ein Mensch, mit dem man so viel geteilt hat, nicht mehr erreichbar sein soll. Zugleich muß man einsehen, daß sich das Unrecht, das man dem Verstorbenen angetan haben mag, nun nicht mehr gutmachen läßt. Nichts kann mehr nachgeholt werden, was versäumt worden ist. So mischt sich in die Trauer ein Schuldgefühl, das auf all die Auseinandersetzungen zurückgeht, die wir mit dem Toten dereinst doch auch gehabt haben. Wir unterdrücken die Einsicht, daß es in unseren Beziehungen zu dem Verstorbenen doch auch Eifersucht, Rivalität, ja so etwas wie Feindschaft gegeben hat. Wir leugnen nun die Ambivalenz aller Gefühle. Sie be steht aber weiter, denn irgendwie bedeutet der Tod, den man betrauert, doch auch eine Befreiung. Die Bindungen und Pflichten sind erleichtert. Der Trauernde lebt; das ist eine Art Sieg. Der uneingestandene Zwiespalt drückt sich oft darin aus, daß man sagt, der Tod sei doch für den Verstorbenen eine Erlösung nach langer Krankheit gewesen, oder er habe ihn ohne jedes Leiden plötzlich ereilt. Dennoch ist der Schmerz oft so groß, daß er nur allmählich überwunden werden kann. Dann müssen wir eine lange Trauerarbeit leisten, um die Beziehungen zu lösen, für die es keinen Partner mehr gibt, damit wir frei werden für neue Bindungen. Bei dieser Aufgabe werden wir unterstützt durch die Anteilnahme anderer Trauernder und all die Rituale, die dem Tod gelten. Die Erfahrung solcher Verluste führt manchmal dazu, daß jemand nicht mehr bereit ist, Bindungen einzugehen, die ja doch zu einem schmerzlichen Ende bestimmt wären. Die »Unfähigkeit zu trauern«, die der deutsche Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich beklagte, beruht nach seiner Darstellung auf der Enttäuschung an den vermeintlichen Idealen des Nationalsozialismus, und sie läßt sich als Weigerung verstehen, sich überhaupt noch auf Ideale zu verpflichten. Traum, die Phantasiebilder während des Schlafes. Es ist heute erwiesen, daß wir alle in jeder Nacht mehrmals träumen. Darüber hinaus wurde im Experiment festgestellt, daß ein Mensch, den man am Träumen hindert, seelisch erkrankt. Der Traum hat also eine lebenswichtige Funktion: er drückt die seelischen Regungen aus, denen wir im Wachleben nicht ausreichend nachgeben können. Wir erinnern uns nur an einen kleinen Teil unserer Träume. Selbst das, was wir im Augenblick des Erwachens noch davon wissen, wird oft rasch vergessen. Manche Träume jedoch hinterlassen einen starken Eindruck. Zwar wirken viele wie eine Art Abfallhaufen all der kleinen Tageseindrücke und Tagesnöte; einige aber lassen sich als Abbilder schicksalhafter Lebensprobleme verstehen. Meist erscheint uns das Traumgeschehen wirr, unverständlich und unsinnig. Dennoch glaubte man seit uralter Zeit, daß Träume göttliche Botschaften enthalten oder eine prophetische Bedeutung haben. Dabei betrachtete man typische Trauminhalte als Muster, die bei allen Träumen das gleiche aussagen. Noch heute bieten »Traumbücher« eine Liste von Traumsymbolen, nach der man wie aus einer fremden Sprache mithilfe eines Wörterbuches übersetzen könnte, um Lebensregeln und Zukunftsaussichten zu erfahren. Den wahren Sinn der Träume entschlüsselt erst die Psychoanalyse. Die Traumdeutung, wie Sigmund Freud sie begründete, geht vor allem mithilfe der freien Assoziation vor sich. Der Träumer muß zu allen einzelnen Elementen seines Traumes kritiklos alles heranziehen, was ihm dazu einfällt. So wird der erinnerte, der manifeste Traum auf die eigentlichen Traumgedanken zurückgeführt. Der Kern jedes Traumes ist ein Versuch zur (imaginären) Wunscherfüllung. Oft handelt es sich um Wünsche, die man sich bewußt nicht zugeben würde. Unser Gewissen oder Über-Ich läßt ihre offene Darstellung auch im Traum nicht zu; die Traumzensur entstellt sie bis zur Unkenntlichkeit. Das gilt ganz besonders für gewisse aggressive und sexuelle Wünsche. Das Verbot, dem sie unterliegen, löst ähnlich wie im Wachdenken Angst aus. Der Wunschtraum wird zum Alptraum, und mit dem Angstsignal wird der Traum abgebrochen. Da aber der Schlaf an jeder Aktivität hindert, die schlimme Folgen haben könnte, kann sich im Traum manches äußern, was bewußt nicht einmal angedeutet werden dürfte. Der befremdende Charakter der Träume geht aber vor allem auf gewisse Eigentümlichkeiten der Traumarbeit zurück. Der Traum verdichtet, indem er verschiedene Elemente in einem einzigen Bild zusammenfaßt. Er verschiebt die Akzente. Er setzt Gedanken in Bilder um. Wie das unbewußte Denken so kennt auch das Denken im Traum keine Scheidung der Gegensätze; es ist ambivalent. Der Traum ist wie das Unbewußte zeitlos. So vermischen sich in einem einzigen Traumgeschehen Reste des Vortages oft mit Erlebnissen aus frühester Kindheit, die bewußt längst vergessen sind. Der Wunsch, den ein Traum erfüllt, mag also auch ein Kindheitswunsch sein, der in unserem Wachdenken keine Rolle mehr spielt. Die Traumdeutung wird so zum Mittel, die Konflikte unserer Kindheit, die uns unbewußt noch immer belasten, neu zu erkennen und so auch zu beherrschen. Hieraus ergibt sich der Wert der Traumdeutung für die psychoanalytische Behandlung seelischer Krankheiten (Psychotherapie). Freud nannte den Traum die »via regia zum Unbewußten«. Nicht alle Traumelemente lassen sich durch Assoziationen auflösen. Immer wieder treten Symbole auf, deren Bedeutung der Träumer selbst nicht kennt. Sie beruhen auf einer Symbolsprache, wie sie sich ähnlich in Mythen und Märchen findet. Besonders häufig haben die Symbole einen sexuellen Gehalt. Aber die Deutung der Symbole ist immer nur ein Hilfsmittel der Traumdeutung und nicht, wie man vielfach annimmt, ihr Wesen. Auch die Behauptung, daß die Psychoanalyse alle Träume auf sexuelle Regungen zurückführe, ist falsch, so oft sie noch immer vorgebracht wird. Es gibt Hunger-, Durst-, Ehrgeiz-und Bequemlichkeitsträume. Stets ist der Traum ein Hüter des Schlafes, indem er Reize verarbeitet, die ein Aufwachen bewirken könnten. So nimmt er etwa Geräusche in seinen Inhalt auf, die zur Außenwelt gehören, so daß man sie nicht als Störung wahrnimmt und weiterschläft. So erfüllt er aber auch wichtige Wünsche und hindert sie daran, den Schlaf und das Leben in den Bindungen des Alltags infrage zu stellen. Doch die Einschränkungen, die Zivilisation und Moral gerade unserer Sexualität auferlegt haben, bewirken recht häufig sexuelle Wunscherfüllungen im Traum. Besonders deutlich wird das bei dem sogenannten »nassen Traum«, der mit einer Ejakulation im Schlaf (Pollution) einhergeht; er tritt vor allem während der Pubertät auf. Indessen sind auch viele der Träume, deren sexueller Gehalt unverkennbar ist, noch immer getarnt. So mag man von einer Sexualhandlung mit einer Person träumen, an der man in Wahrheit nicht interessiert ist, während der Partner, den man unbewußt ersehnt, im gleichen Traum nur als Randfigur auftritt. In den Traum gehen jeweils sehr verschiedene Elemente ein, Gedanken, Befürchtungen, unwichtige Erinnerungen, Fetzen aus Tageserlebnissen. Im Mittelpunkt steht der Wunsch, der alle diese Elemente benutzt und an sich reißt, wie etwa ein Unternehmer die verschiedensten Materialien und Antriebe ausnutzt, um seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Der erinnerte, manifeste Traum läßt seinen Antrieb, eben den Wunsch, nicht ohne weiteres erkennen; der wird oft erst nach der Traumdeutung faßbar. Diese Deutung hat manchmal heftige Widerstände zu überwinden. In der Psychotherapie sorgt der Analytiker dafür, daß der Patient vor dieser Scheu zur tieferen Selbsterkenntnis nicht kapituliert. Eine Selbstanalyse, wie Freud sie beispielhaft an seinen Träumen vornahm, erfordert große Disziplin und eine gewisse Übung. Sie kann eine unvergleichliche Lebenshilfe sein und wie kaum eine andere Erfahrung Einsicht in die Wahrheiten der Tiefenpsychologie vermitteln.Emotionaler Vorgang, durch den belastende Ereignisse (Trennung vom Liebespartner, Krankheit, Behinderung) verarbeitet werden. Die Trauerarbeit verläuft in der Regel in voneinander unterscheidbaren Schritten mit allmählich abnehmenden Schmerzreaktionen (zum Beispiel denkt der Trauernde zunächst stündlich an einen geliebten Toten, später nur noch täglich, endlich nur zu gewissen Jahrestagen oder Anlässen). Anfänglich mischen sich oft Wut oder Rebellion («warum passiert das gerade mir») oder Schuldzuweisungen an die eigene oder fremde Personen in die Trauer. - Depression läßt sich als gestörte Trauerarbeit verstehen. Die Betroffenen sind gelähmt, fühlen sich wertlos, erschöpfen sich gewissermaßen an einer nicht zum Ausdruck zugelassenen Trauer. Die pathologische Trauer ist ein Zerrbild der normalen Trauer, sie tritt vor allem erheblich verzögert auf oder bleibt über das normale «Trauerjahr» hinaus bestehen. Durch die Individualisierung sind in den modernen Gesellschaften früher verbindliche Trauerrituale verlorengegangen (zum Beispiel Trauerkleidung).
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